1464 - Die Vergessene
Im Nachhinein war er auch froh, ihnen nicht zu viel gesagt zu haben, und er hoffte, dass sich Angie Lee ebenso verhielt und mitdachte. Alles andere wäre schlecht gewesen, auch für sie und ihre Karriere.
Rick Portman fuhr nie mit dem eigenen Wagen zum Dienst. Der Stress war ihm zu groß. Da war die U-Bahn besser, auch wenn die Wagen mal wieder überfüllt waren.
Portman quetschte sich hinein. Er war in seine Gedanken versunken und hätte beinahe noch den Ausstieg verpasst. Seine kleine Wohnung lag in der Nähe von Westminster Abbey, versteckt in einem Hinterhaus, das durch eine breite Einfahrt zu erreichen war. Es war nicht besonders groß, mit kleinen Wohnungen, und eine davon hatte Portman gekauft.
Er schloss die Tür auf, ärgerte sich über die Sprayer, die mal wieder eine Wand beschmiert hatten, und ging fünf Stufen hoch, um die Wohnungstür zu erreichen.
Gesichert war sie mit zwei Schlössern, die er öffnete. Wie immer roch es schal und auch leicht nach kaltem Zigarrenrauch. Hin und wieder gönnte sich Portman einen Lungentorpedo.
Er ging in sein kleines Schlafzimmer. Durch das Fenster drang kaum Licht, weil ein Rollo vorgezogen war. Eine zweite Tür führte vom Zimmer aus ins Bad.
Eine Dusche würde ihm gut tun.
Die Duschkabine hatte grüne Kacheln, die mit mehreren blauen Wellen bemalt waren.
Ein altes Radio, das durch eine Batterie gespeist wurde ließ er laufen, auch wenn er nichts hörte, weil das Rauschen des Wassers alles andere übertöte.
Die Dusche war schnell vorbei. Portman machte daraus nie eine lange Orgie. Er trocknete sich ab, schlang das violette Handtuch über seine Hüften und ging ins Schlafzimmer, wo seine Klamotten hingen.
Beim Duschen hatte er einen Entschluss gefasst. Er wollte noch kurz in die Bar, die um die Ecke lag. Etwas Entspannung konnte er gut gebrauchen. Da würde er nicht immer an seinen Sender denken.
Die Kleidung hatte er bereits rausgelegt. Portman wollte ganz in Schwarz gehen, der Farbe der Kreativen, als er gestört wurde.
Es schellte.
»Scheiße!« flüsterte er und überlegte, wie er sich verhalten sollte.
Zuerst anziehen oder nur mit dem Handtuch über den Hüften zur Tür gehen? Er entschloss sich für das Zweite. Da es in der Tür einen Spion gab, würde er sehen können, wer etwas von ihm wollte. Er konnte sich dann danach entscheiden.
Der Blick durch das Gluckloch brachte die Überraschung. Vor der Tür stand eine Frau.
Fatima Orex!
***
Mit dieser Überraschung hatte er nicht gerechnet, und Portman überlegte, wie er sich verhalten sollte.
Was wollte sie von ihm? Ihre Ansprechpartnerin war Angie Lee, doch jetzt stand sie vor seiner Wohnung. Hatte sie sich möglicherweise vertan? Nein, daran glaubte er nicht. Das musste einen anderen Grund haben.
Sie sah aus wie in der Sendung. Sie hatte sich nicht mal umgezogen. Sie bewegte sich jetzt und klingelte erneut.
Rick Portman handelte. »Ja, ist schon gut! Ich mache ja auf. Eine Sekunde.«
Er zupfte sein Handtuch fester, damit es nicht rutschte. Dann öffnete er.
Ein Hauch empfing ihn. Ein besonderer Hauch. Oder auch ein Geruch, den diese seltsame Frau ausströmte, die nach vorn ging und den Chefredakteur zurückdrängte.
»Danke«, sagte sie leise und schloss die Tür.
Es war seltsam und Portman kam mit seinem Gefühl selbst nicht zurecht, aber er war von diesem Besuch nicht begeistert. Er fühlte sich in seiner eigenen Wohnung wie ein Gefangener.
Das enge Wickelkleid reichte Fatima Orex bis zu den Waden. Die sandgelbe Farbe passte zu diesem Typ Frau. Es gab einige Lücken im Stoff, diese konzentrierten sich allerdings auf die beiden Seiten und in Höhe der Hüften.
Das Gesicht wirkte wie glatter Stein. Da gab es keine einzige Falte zu sehen, und auch der Haarschnitt passte zu dieser Person, da störte auch der am Rücken nach unten hängende Zopf nicht.
Rick Portman war nicht so schnell zu überraschen, aber hier schon.
Er wehrte sich nicht. Er kam sich wie in einem Traum gefangen vor und erwachte erst in seinem kleinen Wohnraum, in dem das Durcheinander fast schon einem Chaos glich.
Überall lagen Zeitschriften und Zeitungen herum. In manchen Blättern waren bestimmte Artikel rot angestrichen. Auf einem Schreibtisch war die Tastatur des PCs ebenfalls unter einer Zeitschrift vergraben.
Zwei Sessel gab es in dem Wohnraum. Einer war gelb, der andere schwarz. Bei beiden wirkte der Stoff verschlissen. Die Besucherin ließ sich in den schwarzen Sessel fallen, der eine halbrunde Form
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