1464 - Die Vergessene
und schaute mich von der Seite her an. »Kann ich auf laut stellen?«
»Sicher.«
Der Anrufer zeigte wirklich große Geduld . Ich wusste nicht, wie oft es schon geläutet hatte, ehe die Moderatorin endlich abhob. Aber sie schaffte es, sich mit einer kraftvollen Stimme zu melden.
»Ja, bitte…«
Suko und ich hörten mit. So entging uns auch nicht der schwere Atemzug. Einen Moment später meldete sich die Stimme eines Mannes.
»Sind Sie Angie Lee?«
»Wer will das wissen?« Bei dieser Frage warf sie uns einen Blick zu und hob die Schultern.
»Mein Name ist Barton. Bruce Barton, und ich habe gestern Ihre Sendung gesehen. Das heißt, nicht das Original, sondern die Wiederholung in der Nacht.«
Da wir mithörten und uns auch im Vorfeld ein wenig mit dem Fall beschäftigt hatten, bekam ich große Ohren, als ich den Namen Bruce Barton hörte. Er war mir nicht unbekannt. Ich hatte ihn vor kurzem erst gehört, und jetzt jagten sich meine Gedanken, wo das wohl gewesen sein könnte.
Suko half mir. »Es ist der Taxifahrer, der den Finger gefunden hat.«
»Stimmt«, flüsterte ich, und ich war von nun an gespannt, was Barton wohl von der Moderatorin wollte.
»Mr. Barton, was kann ich denn für Sie tun?«
»Ich – ich wollte Ihnen nur etwas sagen, und ich habe auch schon mit der Polizei darüber gesprochen. Es geht es geht um den linken Zeigefinger der Frau, die Sie interviewt haben.«
»Ja, der fehlte.«
Barton lachte rau, bevor er sagte: »Ich glaube Ihnen gern, dass er fehlte. Er konnte nicht an ihrer Hand sein, denn er lag auf dem Beifahrersitz meines Taxis. Sie hat ihn dort vergessen, als er abfiel. Stellen Sie sich das mal vor.«
Angie Lee war sprachlos. Sie hielt den Hörer fest. Ihre Hand zitterte leicht, und sie drehte uns ihren Kopf zu, weil sie uns anschauen wollte.
»Hören Sie?«
»Ja«, flüsterte Angie.
»Das ist kein makabrer Witz, den ich Ihnen erzähle. Bei einem Witz wäre ich nicht zur Polizei gegangen. Der verdammte Finger ist echt gewesen, glauben Sie mir.«
»Natürlich, er war echt«, murmelte sie und hob die Schultern. Die Situation hatte sie hilflos gemacht.
Ich gab ihr einen Wink und nahm den Hörer wenig später an mich.
An Barton hörte ich die schweren Atemzüge, die aufhörten, als ich ihn ansprach und ihm erklärte, wer ich war.
»Polizist?« flüsterte der Fahrer.
»Genau.«
»Und Sie kümmern sich darum?«
»Ja, das tue ich.«
»Bitte, Mr. Sinclair, ich muss Ihnen sagen, dass alles stimmt, was ich Angie Lee gesagt habe. Sie können sie fragen und…«
»Das weiß ich, Mr. Barton, denn ich war in der Lage mitzuhören. Und mir ist auch bekannt, dass Sie den Finger gefunden haben. Es ist also alles okay.«
»Danke, dass Sie es so sehen.«
»Jetzt habe ich eine Frage. Hatten Sie in der Zwischenzeit Kontakt mit dieser Person?«
»Nein, nein. Keinen persönlichen. Es ist nur so, dass ich die Wiederholung der Sendung sah. Da habe ich mich entschlossen, Miss Lee anzurufen. Es war schwierig genug, ihre Nummer zu bekommen. Ich hielt es für gut, sie zu warnen.«
»Da wird ihnen auch keiner einen Vorwurf machen, Mr. Barton. Ich habe natürlich das Protokoll Ihrer Aussage gelesen, und es trifft also zu, dass Sie auf dem Beifahrersitz Ihres Wagens den Finger gefunden haben?«
»Ja.«
»Aber Sie haben nicht gesehen, dass er abfiel?«
»Nein, das habe ich nicht. Es war auch kein Blut da, und der Finger war trotzdem echt. Ich habe diese Frau dann in der Sendung gesehen. Es war der reine Wahnsinn, verstehen Sie? Ich – ich – habe vor der Glotze gesessen und konnte es nicht glauben. Aber es stimmte. Diese Fatima Orex saß da ohne ihren linken Zeigefinger.«
»Ich bedanke mich bei Ihnen, Mr. Barton, dass Sie angerufen haben. Halten Sie sich bitte als Zeuge zur Verfügung.«
»Werde ich machen.«
Das Gespräch war beendet, ich legte den Hörer wieder auf und schaute Angie Lee an.
»Ich kenne den Mann nicht«, sagte sie.
»Natürlich. Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen, Miss Lee, es wird sich alles auflösen.«
»Das hoffe ich.«
Jetzt mischte sich Suko ein. »Allerdings glaube ich nicht, dass Sie Fatima Orex noch mal in Ihrer Sendung werden interviewen können. Sie ist wichtig für uns, und wir werden sie finden müssen, wobei eine Einladung in die Sendung uns die Frau direkt in die Arme treiben könnte, denke ich. Oder was meinst du, John?«
»Das wäre möglich.«
»Was haben Sie denn miteinander ausgemacht?« fragte Suko.
Angie Lee zuckte mit den
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