1465 - Schach dem Klon
Der Glanz ihrer kupferfarbenen Haare fesselte seine Aufmerksamkeit. „Wie meinst du das?" fragte Nyman beunruhigt. „Nun, dieses Ding, das ihr Hamiller-Tube nennt, will dich unbedingt zum Kommandanten der BASIS erheben, oder irre ich mich? Nein? Na gut, dann denke über die Sache so nach, wie ich es tue. Wer Geheimnisse zu wahren hat, sollte sich hüten, irgendwo Zellmaterial zu verlieren.
Das ist doch ganz einfach!"
Die Frau machte eine fahrige Bewegung und stieß das halbgefüllte Wasserglas vom Tisch. Ehe Ronald Tekener zuspringen konnte, fiel es zu Boden und zerschellte.
Die einer Hundertfünfzigjährigen gleichenden Frau stützte sich auf den Tisch. Sie atmete ungleichmäßig.
Weiße, strähnige Haare bedeckten ihr gealtertes Gesicht, das sie vergeblich vor den Blicken des Mannes zu verbergen suchte.
Irmina Kotschistowa war dem Tode geweiht. Es gelang ihr nur noch unzureichend, den Verlust ihres Zellaktivators mit Hilfe ihrer metabiotischen Kräfte auszugleichen. „Ich schaffe es nicht mehr, Tek, ich schaffe es nicht mehr!" erklärte sie mit gebrochener Stimme. „Ich kann nicht einmal mir selbst wirklich helfen. Tek, was soll aus deiner Frau werden?"
Tekener bemühte sich, unbefangen in ihre verzweifelten Augen zu sehen. Sein Lächeln wirkte gekünstelt.
Sie spürte es. „Wir werden einen Ausweg finden", versuchte er, ihre Verzweiflung zu dämpfen. „Sedge Midmays hat neue Ideen."
„Nichts hat er!" lehnte Irmina ab. „Niemand kann den Zellzerfall stoppen. Es tut mir unendlich leid. Wir waren zu optimistisch."
Sie löste sich von seinem Arm und ging auf die Tür der Krankenstation zu. Tek sah ihr tieferschüttert nach.
Er riß den Brustverschluß seiner Kombination auf und stellte sich in den kühlenden Luftstrom der Klimaanlage. Der auf seiner nackten Haut hängende Zellaktivator pulsierte beständig und kräftig wie immer.
Nie zuvor hatte Tek die Abhängigkeit von dem lebenserhaltenden Gerät so deutlich empfunden wie jetzt.
Er wandte den Kopf und sah zu Jennifer Thyron hinüber. Sie ruhte auf einem Konturlager und hatte die Augen geschlossen.
In den letzten zehn Tagen war sie beständig gealtert. Der voranschreitende Zellverfall hatte auch bei ihr deutliche Spuren hinterlassen.
Tek ging zu ihr hinüber. Zögernd griff er nach der Kette seines Zellaktivators und zog sie über den Kopf.
Da begann Thyron unvermittelt zu sprechen. „Nicht, Tek, tu' es nicht! Du kannst mir mit deinem Aktivator nicht helfen. Er würde mich in meinem jetzigen Stadium erst nach hundert oder hundertzwanzig Stunden reaktiviert haben. Bis dahin wärst du zu Staub geworden. Irminas Kräfte nehmen beständig ab. Sie könnte dich nicht wirksam abschirmen. Hänge dir den Aktivator wieder um, bitte!"
Tek befolgte ihren Rat und setzte sich seitlich auf das Lager. Behutsam nahm er ihre Rechte in beide Hände.
Er suchte nach Worten des Trostes. Ihr Versuch, ihm ein Lächeln zu schenken, endete kläglich. „Rhodan erwartet dich", flüsterte sie. „Du mußt zur ODIN."
Nach einigen Minuten schlief sie ein. Seine Worte verhallten ungehört. Er wartete, bis sich ihre Atemzüge stabilisiert hatten. Die verabreichten Medikamente schienen wenigstens etwas Erleichterung zu bringen.
Schließlich ging er schleppenden Schrittes auf die Tür zu. Tek fühlte sich alt, uralt. Er dachte an die Zeiten des Glücks und auch an die vielen schweren Stunden, die er zusammen mit seiner Frau nach der Kosmischen Katastrophe gemeistert hatte.
Und das sollte nun alles vorüber sein? Nur weil ein Unbekannter Jennifers Zellaktivator gestohlen hatte?
Sie hatte versucht, ihn zu beschreiben. Einer überdimensionierten Flamme sollte er geglichen haben, dabei eisige Kälte verbreitend.
Nichts hatte ihn daran hindern können, das lebenserhaltende Gerät an sich zu reißen.
Ronald Tekener blieb stehen und sah zurück. Das Schicksal seiner Frau würde sich erfüllen, nicht heute, nicht morgen, aber in absehbarer Zeit. Und er konnte nichts dagegen tun - überhaupt nichts! Er konnte nur darauf hoffen, dem Unbekannten eines Tages zu begegnen.
Der Gedanke daran konnte seine Seelenqual nicht lindern. Jennifer Thyron würde der Metabio-Gruppiererin Irmina Kotschistowa in den Tod folgen. Es war erschreckend endgültig. Außerhalb der Stützpunktklinik wartete January Khemo-Massai mit einem Luftgleiter. Der schwarzhäutige Hüne stand neben dem geöffneten Schott und sah dem Mann entgegen, den er schon bewundert hatte, ehe er ihm zum erstenmal begegnet
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