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1468 - Tanz im Totenreich

1468 - Tanz im Totenreich

Titel: 1468 - Tanz im Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ich konnte nicht behaupten, dass wir uns feindlich gegenüberstanden. Nur hatten wir jeder unsere Ansichten und Meinungen. Seine Gerechtigkeit war nicht die meine. Wenn er eingriff, und das hatte ich einige Male erlebt, dann floss meist Blut. Da nahm er auch keine Rücksicht auf irgendwelche Menschen, die wegen ihrer Vergehen eigentlich vor Gericht gehört hätten.
    »Ich sehe dir an, dass du ihn kennst, John, denn du denkst über ihn nach.«
    »Das stimmt. Er ist mir nicht unbekannt.«
    »Das sagte er auch.«
    Ich hob die Schultern. »Es ist schon ein wenig kompliziert, Marietta, denn seine Gerechtigkeit ist zwar in den meisten Fällen auch die meine, aber die Folgen darauf kann ich manchmal nicht akzeptieren. Raniel ist bestrebt, das Böse auszulöschen.«
    »Das bist du doch auch.«
    »In der Tat. Nur sind unsere Methoden unterschiedlich. Wenn Raniel der Meinung ist, dass jemand den Tod verdient hat, dann zieht er es auch durch. Dann wird er nach meinem Empfinden zu einem Mörder, und dafür halte ich mich nicht, auch wenn ich Menschen getötet habe, aber ich habe meine Legitimation durch das Gesetz, was bei ihm nicht der Fall ist. Er denkt, dass er selbst das Gesetz ist.«
    »Aber er will das Unrecht abschaffen.«
    »Das will ich auch. Nur stehen wir auf verschiedenen Positionen, das ist es.«
    Marietta schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nicht so recht glauben. Wenn alles so wäre, hätte er mich nicht zu dir geschickt. Ich soll an deiner Seite stehen. Ich soll dir zeigen, wo es an Gerechtigkeit fehlt. Nichts anderes hat er im Sinn. Ich soll dir helfen, und zugleich soll ich lernen. Nur deshalb bin ich hier, und so denke ich, dass ich zwei Lehrherren habe. Raniel und dich.«
    Dass das Leben seine verrückten und nicht vorhersehbaren Seiten hatte, erlebte ich hier wieder mal mit aller Deutlichkeit. Dabei kam ich mir vor wie jemand, der zwischen zwei Stühlen steht und sich entscheiden muss, auf welchem er letztendlich sitzen will.
    Vor zwei Stunden hätte ich nicht gedacht, was die Nacht mir alles bringen würde, und ich fragte mich, wie es weitergehen würde.
    Für mich stand fest, dass ich Marietta nicht so leicht abwimmeln konnte. Sie hatte ihren Auftrag erhalten und sie würde ihn verdammt ernst nehmen, das stand fest. Nur wie sah das in der Praxis aus? Würde sie wie eine Klette an mir hängen und mich überall hin begleiten?
    »Ich kann dir ansehen, was du denkst, John.«
    »Und das wäre?«
    »Du denkst über mich nach.«
    »Es war leicht, das zu erraten.«
    »Das gebe ich zu. Aber du weißt nicht genau, wie du mich einordnen sollst. Da hast du noch deine Probleme. Stimmt es?«
    »Volltreffer.«
    »Und wie würdest du mich am liebsten einordnen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es geht hier eigentlich weniger um dich als um die Praxis. Du hast dir vorgenommen, an meiner Seite zu bleiben und dabei zu lernen.«
    »Das ist mein Ziel.«
    Es tat mir leid, dass ich sie enttäuschen musste. »Aber das geht nicht, Marietta. Du kannst dich nicht in mein Büro setzen und mit mir zusammen darauf warten, dass etwas passiert. Ich bin in erster Linie Polizist und darf bei meinen Aufgaben durch niemanden gestört werden. Das solltest du dir merken.«
    Sie stand auf und bewegte sich lautlos durch mein Wohnzimmer.
    »Warum siehst du das alles nur so kompliziert, John Sinclair? Du musst dich mehr öffnen. Du solltest auf Überraschungen gefasst sein, denn du hast ja ein Beispiel erlebt.«
    Ich wusste, worauf sie anspielte.
    »Ja, ich weiß, was du meinst, Marietta. Wir haben Naomi vor dem Vergewaltiger gerettet.«
    »Genau.« Sie streckte mir die linke Hand entgegen. »Hättest du sie gehört und gefunden, wenn ich nicht an deiner Seite gewesen wäre? Ich denke nicht. Ich habe dir erst den richtigen Weg gewiesen.«
    »Moment«, sagte ich. »Gefunden hätte ich sie auch allein. Ich hätte nur den Geräuschen nachzugehen brauchen.«
    »Du hättest sie gar nicht gehört. Sie sind erst viel später aufgeklungen. Da hättest du längst dein Haus oder deine Wohnung erreicht. Das steht fest.«
    Ich hätte ihr gern widersprochen, aber in diesem Fall musste ich ihr leider zustimmen. Ohne ihre Hilfe hätte ich nichts bemerkt, und sie wusste das sehr genau. Ihr breites Lächeln wies darauf hin.
    »Beschwert hast du dich nicht, John.«
    »Ich weiß, aber das war eine andere Situation. Es wird nicht immer so glatt ablaufen. Ich habe es normalerweise mit anderen Gegnern zu tun.«
    »Das ist mir klar. Und deshalb freue ich mich auch

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