1468 - Tanz im Totenreich
weil der Anrufer schneller war.
»Ich habe bei dir noch Licht gesehen, John. Machst du die Nacht zum Tage?« fragte Suko.
»So ähnlich.«
Es musste wohl etwas in meiner Stimme gewesen sein, das ihn aufhorchen ließ, denn er fragte: »Gab es Probleme?«
»Ja und nein, aber es könnte welche geben.«
»Kann ich helfen?«
»Hast du denn Zeit?«
Suko lachte. »Ich schon, nur Shao ist müde. Sie ging nach unserer Rückkehr sofort ins Bett. Außerdem habe ich noch Durst. Bei diesem Wetter klebt die Kehle fast zu.«
»Stimmt.«
»Gut, dann komme ich rüber.«
Eigentlich war ich froh, dass Suko angerufen hatte. Da hatte ich jemanden, mit dem ich über den Fall reden konnte, und als er die Tür mit seinem Zweitschlüssel aufschloss, stand das Wasser schon bereit. Ich hatte auch für mich eine Flasche geholt.
Er schaute mich skeptisch an und meinte: »Du siehst ziemlich durcheinander aus.«
»Ja, kann sein.«
Er ließ sich in einen Sessel fallen, schenkte sich Wasser ein und fragte: »Was hast du erlebt?«
»Ich hatte Besuch. Von einer jungen Frau, die nicht mehr lebt und trotzdem hier stand.«
Suko hatte trinken wollen, doch meine Antwort hatte ihn so stark überrascht, dass er das Glas sinken ließ und es zunächst wieder abstellte.
»Bitte?«
»So war es.«
Er lächelte. »Gut, John, dann erzähl mal, welche Botschaft die Tote dir gebracht hat. Lange kann sie noch nicht tot sein, sonst hätte ich was gerochen.«
»Sie war kein Zombie«, klärte ich ihn auf.
»Okay, wer war sie dann?«
»Eine Botschafterin in feinstofflicher Form, die mir Raniel geschickt hat. Nicht mehr und nicht weniger.«
Suko starrte mich an. »Ich habe doch richtig gehört?«
»Ja.«
»Und ich weiß, dass du dir keine Geschichten ausdenkst. Erst recht nicht um diese Zeit…«
»Stimmt auch.«
»Dann höre ich gern und mit Spannung zu.«
Genau das hatte ich von ihm erwartet, auch wenn man die Zeit nicht eben als christlich bezeichnen konnten.
Während er langsam trank, bekam er vor mir einen sehr detaillierten Bericht, und nach fast jedem zweiten Wort deutete er ein Kopf schütteln an. Seine Sitzhaltung blieb starr. Einige Male holte er schnaufend Luft, bis er schließlich den Kopf schüttelte und erklärte:
»Wenn mir das ein anderer erzählt hätte, verdammt, ich hätte ihn einfach nur ausgelacht. So aber sehen die Dinge anders aus. Ich glaube dir jedes Wort.«
»Danke.«
»Und wie hast du dir das Weitere vorgestellt?« erkundigte er sich.
»Überhaupt nicht.«
»Das heißt, du lässt alles auf dich zukommen.«
»Ja.«
»Dann hast du jetzt einen Lehrling an deiner Seite.«
»Hör auf zu spotten. Das alles bedrückt mich schon. Ich weiß nicht, wie ich sie wieder loswerden soll. Sie sieht aus wie ein normaler Mensch, aber sie ist es nicht, verdammt. Sie kann durch dich hindurchgehen, und du kannst durch sie hindurchfassen. So einfach und zugleich verrückt ist das. Sie kommt und geht, wann sie will. Wundere dich nicht, wenn sie plötzlich an meiner Seite erscheint, wenn etwas passiert und sie dann ihre eigene Gerechtigkeit durchziehen will.«
»Die uns nicht passen kann, weil unsere Gerechtigkeit nicht die ihre ist. Stimmt das?«
»Ja.«
Suko legte die Stirn in Falten. »Wie wir sie loswerden können, dar über hast du dir noch keine Gedanken gemacht – oder?«
»Nein, Suko. Und ich weiß auch nicht, ob ich das schaffe. Sie bestimmt leider die Regeln und nicht ich. Das muss ich akzeptieren, so leid es mir tut.«
»Dann sag, was ich tun soll.«
»Geh deinem Job nach. Ebenso wie ich.«
»Wir drei also?«
Ich hob die Schultern.
»Aber wann sie wieder auftauchen wird, das hat sie nicht gesagt?«
»Nein«, erwiderte ich und sprach weiter, wobei ich mich vorbeugte und Suko ins Gesicht schaute. »Wenn sie wirklich auf Raniel hört, könnte sie so reagieren wie er. Das würde bedeuten, dass sie plötzlich erscheint und uns bekannt gibt, wo wir eingreifen sollen, weil dort etwas in ihren Augen Schlimmes passieren wird.«
»Du meinst, wie bei dieser Naomi?«
»Genau, das war der Test.«
Suko lehnte sich zurück. Sein Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. »Wenn das so ist, dann würden wir die Fälle lösen und nicht sie. Kann das sein?«
»Durchaus. Oder zusammen.«
»Oder sie hat bereits eingegriffen und die Sache auf ihre Art erledigt.«
»Ja, und das könnte auch bedeuten, dass es Tote gibt, wenn sie Raniels Gerechtigkeitssinn folgt.«
Suko verzog die Lippen. »Passen kann uns das nicht.«
»Du
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