1468 - Tanz im Totenreich
und stiegen aus. Es war sehr still. Wir sahen einen flaschengrünen Spitfire vor dem Haus stehen, und eine grün gestrichene Haustür, die verschlossen war.
Auf unser Schellen öffnete uns leider niemand. Aber wir waren auch nicht gewillt aufzugeben, und da das Haus frei stand, war es kein Problem, es zu umrunden.
Suko ging vor, und wir sahen uns bald in einem Garten mit einer herrlichen Wiese, die mit sommerlichen Streublumen übersät war.
Hier konnte man sich spielende Kinder vorstellen, die hinter Schmetterlingen herliefen, aber auch junge Frauen und Männer, die im Gras saßen, picknickten und gekleidet waren wie zur Biedermeierzeit. Jedenfalls kam mir der Gedanke, als ich meinen Blick über die Wiese schweifen ließ. Wenig später sah ich auch die Rückseite des Hauses, die mir nicht so grau erschien wie die Vorderseite, denn das breite Fenster und die offen stehenden Tür, die von einer kleinen Terrasse ins Haus führte, war nicht zu übersehen, und sie lud uns zum Eintreten ein.
Das taten wir aber noch nicht, denn von der Terrasse aus schauten wir direkt durch die Scheibe in den Wohnraum hinein, nur leicht abgelenkt vom Glanz der Sonne, der sich in der Scheibe spiegelte.
Ich ging ein wenig zur Seite und blieb vor der offenen Seitentür stehen. Der Raum war nicht menschenleer. Zwei Männer sahen wir dort. Einer lag auf der Couch, der zweite saß in einem Sessel und hielt die Hände vor dem Gesicht.
»Was meinst du?« fragte Suko.
»Das können Mariettas Brüder sein.«
»Stimmt. Aber was tun sie? Der eine sieht aus, als würde er schlafen, und der zweite scheint in Gedanken versunken zu sein.«
Das Verhalten gefiel mir nicht. Als Antwort ging ich zwei Schritte nach vorn und betrat den recht geräumigen Wohnraum. Von den beiden Männern wurden wir offenbar nicht bemerkt. Da es still war, fiel uns ein Geräusch auf, das der Mann im Sessel von sich gab.
Es war ein leises Schluchzen. Es erzeugte bei mir eine Gänsehaut, und ich hörte Sukos Flüsterstimme hinter mir.
»Da sind Einschusslöcher auf dem Boden.«
Ich schaute kurz hin und musste seine Worte bestätigen. Der Boden war an verschiedenen Stellen aufgerissen und zersplittert. Ich sah die hellen Flecken, die die Schrammen hinterlassen hatten, und spürte ein Ziehen im Magen. Es war ein verdammt ungutes Gefühl.
Hier war geschossen worden, und mein Blick glitt zu dem Mann auf der Couch, der auf dem Rücken lag und sich nicht bewegte.
Als ich einen Schritt vorgegangen war, sah ich ihn genauer.
Er schlief nicht, er war tot, denn in seiner Kehle steckte die Klinge eines Messers.
Ich hatte plötzlich den Eindruck, ins Leere zu fallen. Zu Suko sagte ich nichts. Der war vor dem schluchzenden Mann stehen geblieben.
Um die Wunde herum war nur wenig Blut zu sehen, so fest und tief hatte sich die Klinge in den Hals gebohrt.
Ich ging davon aus, dass die beiden Männer Mariettas Brüder waren, aber ich glaubte nicht daran, dass sie es gewesen war, die einen ihrer Brüder getötet hatte.
Walcott war hier gewesen!
»Sind Sie in der Lage, uns einige Fragen zu beantworten?« hörte ich Suko sprechen.
Der Mann hatte seine Hände nicht mehr gegen das Gesicht gepresst. Sie lagen jetzt auf seinen Knien. Das Gesicht war durch den Schmerz und das Weinen gezeichnet. Er bewegte die Lippen, ohne allerdings etwas zu sagen. Die Augen blickten ins Leere, und dann ließ seine Starre etwas nach, und er sprach mit stockender Stimme nur einen Satz.
»Marietta war hier…«
Suko und ich schauten uns an.
»Ja, sie war hier.«
»Und weiter?«
Er wollte etwas antworten, doch dann hob er den Blick, sah uns und schüttelte den Kopf.
»Wer sind Sie? Gehören Sie auch zu Walcott? Sind Sie tot und doch nicht tot?«
Der Mörder, der angebliche Tote, war also hier gewesen, und das war keine große Überraschung. Es gab also die beiden unterschiedlichen Seiten, die möglicherweise gleich stark waren und sich nun bekämpften.
»Brian ist tot!« flüsterte der Mann. »Ich habe ihn hier gefunden. Walcott tötete ihn.«
»Aber Sie leben noch«, sagte Suko.
»Ja…«
»Und warum hat er Sie nicht getötet?«
Müde winkte Tom Abel ab. »Er hat es vorgehabt, aber er konnte es nicht. Es kam ihm etwas dazwischen.«
»Wer oder was?«
»Meine Schwester. Meine tote Schwester«, murmelte er tonlos.
»Sie konnte er nicht erschießen. Er hatte eine Maschinenpistole. Er hat auch auf sie gefeuert, aber die Kugeln haben ihr nichts angetan. Wer schon tot ist, der – der…« Er konnte
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