147 - Stunde X
der Siedlung. Auf der Stadtmauer reckten sich Hälse und Arme. Keine dreißig Schritte von Crows Fahrzeug entfernt ging der Großraumgleiter nieder.
»Losfahren!«, befahl Crow.
Das gepanzerte Kettenfahrzeug rollte zur Einstiegsluke.
»Sind Sie bereit, Dunwich?«, wandte sich Crow an seinen Adjutanten. Nach einigen Zweifeln hatte er sich schließlich entschlossen, ihn doch mit nach London zu nehmen.
»Ja, Sir.« Allen Dunwich war bleich, seine Stimme dünn.
Crow fragte sich, ob der Lieutenant unter Flugangst litt.
»Gut.« Crow beugte sich über das Funkgerät. »Präsident an Colonel Mejir.« Der Colonel meldete sich aus einem der Begleitpanzer. Crow hatte ihm für die Zeit seiner Abwesenheit das Kommando über Waashton und die unterirdischen Bunkeranlagen des Pentagon übertragen. Ein fähiger Mann und ihm gegenüber absolut loyal. Für ein paar Tage würde er seine Aufgaben erfüllen können. Von der Armee der U-Men in den unterirdischen Fabrikationsanlagen, deren Mobilmachung Crow bereits eingeleitet hatte, wusste aber auch er nichts. »Sie wissen, dass Sie mich über ISS erreichen können, wenn es brennt. Ich werde so schnell wie möglich wieder hier sein.«
»Sie können sich auf mich verlassen, Sir!«, kam es zurück.
»Gute Reise, Sir, und viel Erfolg.«
»Wir sind da, Mr. President«, sagte der Panzerfahrer. Allen Dunwich öffnete die Luke. Vier Leibgardisten sprangen aus dem Fahrzeug. Der Lieutenant kletterte nach ihnen hinaus. Zuletzt stieg Arthur Crow aus. Die Gardisten eskortierten ihn und seinen Adjutanten zur Einstiegsluke des Großraumgleiters.
Crow stieg eilig ein, Dunwich folgte, zuletzt hievten zwei Soldaten zwei Kunststoffcontainer ins Innere des Gleiters.
Proviant, Waffen, Ausrüstung und persönliches Gepäck von Crow und Dunwich.
»Sie wollen gleich weiterfliegen, General?« Naoki drehte ihren Pilotensitz zu ihm um. »Laden Sie uns nicht zum Dinner in Ihre unterirdische Villa ein?«
Crow war sich nicht sicher, einen spöttischen Unterton in ihrer Stimme gehört zu haben, doch anders konnte sie es nicht gemeint haben. Er musterte sie irritiert, denn die zierliche Frau war auf ungewöhnliche Weise zurechtgemacht: Sie trug ein langes, himmelblaues Kleid mit weißen Spitzensäumen und hatte ihr Haar zu Zöpfen geflochten, die kranzartig um ihren schönen Kopf drapiert waren. Tarnt sich tatsächlich als Unschuld vom Lande, dachte Crow.
»Wir sollten vor Anbruch der Dunkelheit den größten Teil des Atlantiks hinter uns haben«, sagte er schließlich. »Meinen Sie nicht auch, Mrs. Tsuyoshi?« Er warf einen prüfenden Blick auf ihren linken Unterarm. Eindeutig, sie war es – Leitungen, Stangen und Kabel lagen bloß. »Selbstverständlich habe ich Verpflegung dabei, falls Ihnen der Sinn danach steht.« Mit einer Kopfbewegung bedeutete er seinem Adjutanten, den Proviant auszupacken. »Wären Sie nun so freundlich, die Luke zu…?«
Crow unterbrach sich, denn plötzlich fiel es ihm auf – sie hatte uns gesagt: Laden Sie uns nicht zum Dinner ein…? Er konnte sich nicht erinnern, die Kommandantin des Medical Science Center in Amarillo jemals im Pluralis majestatis von sich selbst reden gehört zu haben. Er fuhr herum: Im mittleren Sessel der letzten Sitzreihe saß eine breit gebaute, große Männergestalt in schwarzer Lederuniform. Der Kerl trug einen schwarzen Helm über dem Schädel, und an dem Helm war eine schwarze, metallene Gesichtsmaske befestigt. Die dunklen Augen hinter der Maske schienen böse zu funkeln. General Fudoh aus El’ay! Wie Eiswasser stieg Crow der Hass in die Brust. Die Gelben aus dem ehemaligen Los Angeles – jetzt japanische Kolonie auf amerikanischen Boden! – waren also auch mit von der Partie. Sein Versuch, ihre letzten Bunker drüben in Nipoo von seinen Ostmännern ausräuchern zu lassen, war damals gründlich schief gegangen. Stattdessen saßen sie jetzt an der Westküste wie ein Pickel an seinem Hintern, und er hatte ihnen El’ay im Zuge der Friedensverhandlungen überlassen müssen.
Er wandte sich wieder nach der Asiatin um. Vorwurfsvoll blitzte er sie an. Naoki zog nur die linke Braue hoch. »Sie kennen sich bereits, nehme ich doch an«, sagte sie kühl. Kein Wunder – auch sie war nicht gut auf ihn zu sprechen, seit damals seine Tochter Lynne einen Computervirus in ihre Enklave in Amarillo eingeschleppt hatte. Auf was hatte er sich hier eigentlich eingelassen…?
»Konichiwa, Crow«, knurrte Fudoh. »Müssen ganz schön beschissene Zeiten sein, wenn
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