1470 - Der Arzt von Angermaddon
in einem Zug. Anschließend warf er ihn hinter die Klappe zurück. „Hunger!" ächzte er. „Dutst!"
Hinter ihm entstand ein Luftzug und wies ihn darauf hin, daß jemand den Raum betrat. Den leisen Schritten nach war es weder Fleming noch eine der beiden Frauen. „Hunger!" murmelte er erneut. „Ich kenne keinen Hunger", erwiderte der Syntron. „Die Herrin wird dir vielleicht behilflich sein!"
Michaelson spürte die leichte Berührung auf dem Kopf. Er wandte sich um und sprang dann mit einem Satz auf. Er streckte der Gestalt die Handflächen entgegen. Sein Blick ging durch die Gestalt hindurch, während seine Gedanken deren Aussehen verarbeiteten. „Antega? Myrna?" hörte er sich flüstern. „Nein?"
Die Frau wich zwei Schritte zurück. Sie war ein wenig größer als Michaelson, besaß eine schlanke, beinahe zerbrechliche Figur. Ihr langes Gesicht mit der wachsbleichen Haut wurde dominiert von den tiefgrünen Augen und den schmalen Lippen. Die Nase war ziemlich klein geraten, und die Ohrmuscheln waren unter dem schulterlangen, metallicsilbern schimmernden Haar nicht zu erkennen. Sie besaß lange, schmale Hände, und als sie sich ein wenig zur Seite drehte, war ein silberner Schimmer in ihrem Nacken zu erkennen. „Ich bin Junici, die Herrin. Bist du der neue Dienstbote?"
„Michaelson, Patient!" sagte er und deutete auf sein Gewand. Die Frau starrte ihn verärgert an, dann lachte sie plötzlich los. „Sie haben dich auf der Straße aufgelesen. So ist das also. Und ich habe mich gefragt, wieso die drei in den Keller gerannt sind, um sich heimlich zu besprechen. Höre, Michaelson: Ich kann keine Kranken in meinem Haus brauchen. Du wirst in deine Klinik zurückkehren. Weißt du, wo das ist?"
„Klinik? Ist? - Hunger!" Die Frau wandte sich an den Syntron und gab ihm eine Anweisung, die Michaelson nicht verstand. Die Klappe öffnete sich, und heraus schwebte ein Teller mit einem saftigen Stück Braten und einem Gemüsebrei. Das Besteck lag dabei, und Junici nahm es auf und stellte es mitten im Raum auf einen unsichtbaren Tisch. Sie kehrte zu dem Patienten zurück und faßte ihn am Arm. Mit erstaunlicher Leichtigkeit stellte sie ihn auf die Füße und führte ihn zum Tisch. Sie schob ihn in einen energetischen Sessel und deutete auf den Teller und das Besteck. „Iß!" munterte sie ihn auf.
Michaelson wandte die Augen nicht mehr von dem Fleisch. Er saß da wie zur Salzsäule erstarrt und inhalierte den Bratendurft. Mit einem Ruck riß er das Besteck an sich und begann das Fleisch zu zerreißen. Hastig schob er sich ein Stück nach dem anderen in den Mund und kaute, so rasch er konnte.
Anschließend löffelte er den Gemüsebrei und wischte den Teller mit dem Finger aus. Übertreibe es nicht! warnte er sich in seinen Gedanken. Sonst wird es unglaubhaft. „Satt. Danke!" erklärte er mit gefestigter Stimme.
Junici hatte ihn die ganze Zeit schweigend beobachtet. Michaelson musterte sie verstohlen und entdeckte, wie ihr Kopf plötzlich in einem kaum meßbaren elektrischen Feld lag und sich die langen Haare statisch aufluden und vom Kopf wegstanden. Junici wirkte einen Augenblick irritiert, dann hörte er, wie sie tief Luft holte. „Du bist also ausgerissen", stellte sie fest. „Sie suchen dich in der Klinik. Warum hast du nicht gesagt, daß du ein wichtiger Patient aus einer Nordstadtklinik bist? Und wie kommst du hierher in die Südstadt?"
Südstadt? Michaelson beherrschte sich mühsam, um sich nicht durch ein Zucken seiner Augenlider zu verraten. Daß er sich in der Südstadt befand, hatte er nicht gewußt. „Süd?" fragte er. „Keine Angst. Pfrachom ist auf dem Weg hierher. Er fühlt sich nicht wohl in seiner Haut. Ich glaube, Zathrom hat ihn scharf getadelt!"
„Pfrachom!" Der Patient begann über das ganze Gesicht zu strahlen. „Pfrachom!"
Er rutschte aus dem energetischen Sessel und eilte zur Tür. Die Frau hielt ihn auf. „Nicht so hastig! Ich bringe dich hinaus."
Sie umfaßte seine Schultern und ging langsam mit ihm hinaus auf die Straße. Michaelson reagierte unbefangen, aber innerlich befand er sich in einem Aufruhr. Er wußte nicht, was er denken sollte. Junici verhielt sich wie eine ganz normale Frau, und doch spürte er die Kälte an verschiedenen Stellen ihres Körpers, wo Module implantiert waren. Junici war eine Cantaro, daran bestand kein Zweifel, auch wenn er sie anders empfand als die Cantaro, mit denen er bisher zusammengetroffen war.
Mein Gott, dachte Roi Danton bei sich. Warum muß
Weitere Kostenlose Bücher