1474 - Der Schnitter
Papiere auch nicht, so waren die beiden für uns nach wie vor namenlos, was besonders Jean Voltaire störte, der seinen Gefangenen wieder in die Höhe zerrte, damit er sich hinknien konnte.
Die Waffe zielte auf die Stirn des Mannes. »Ich will jetzt jede Frage beantwortet haben. Wenn nicht, wird es hart für dich, denn ich hasse nun mal Menschen, die andere Leute in zwei Hälften schneiden. Hast du das kapiert?«
»Ich habe nichts getan.«
»Das glaube ich dir sogar. Du bist nur ein Mitläufer. Aber du wirst uns den Weg zeigen.«
Der Mann hob die Schultern.
»Wie heißt du?«
»Gomo.«
»Sehr schöner Name, und dein Bruder heißt wie?«
»Toto.«
Voltaire fühlte sich auf den Arm genommen. Bevor er rabiat werden konnte, griff ich ein.
»Sind das eure richtigen Namen?«
»Keine Ahnung.« Gomo drehte mir sein Gesicht zu. Seine Lippen bluteten und um den Mund herum hatte sich eine Schicht aus feuchtem Schmutz verteilt.
»Wieso?«
»Sie hat uns die Namen gegeben.«
»Mama Rosa?«
»Ja.«
»Ist sie eure Mutter?«
»Unsere Ziehmutter, und sie wird sich darüber ärgern, kein stärkeres Gift genommen zu haben. Sonst würdet ihr im Koma liegen oder sogar nicht mehr am Leben sein.«
»Das war euer Pech. Abgesehen von uns, was habt ihr mit Sandrine getan?«
»Sie ist in guten Händen.«
»Bei Mama Rosa?«
»Ja.«
»Und auch dem Schnitter?« fragte Voltaire, wobei er und ich sahen, dass Gomo zusammenzuckte.
»Antworte!« flüsterte der Kollege.
»Er wird euch zerteilen.« Gomo lachte, und Voltaire sah aus, als wollte er ihm die Faust ins Gesicht schlagen.
Ich griff ein. »Lassen Sie das. Es wundert mich, dass er uns zerteilen will. Ihr seid doch nicht wegen uns gekommen – oder irre ich mich da? Eure Pläne sehen doch ganz anders aus.«
»Ja, wir wollten etwas essen.«
»Der hält uns zum Narren, John! Wir sollten ihn…«
»Noch mehr fragen, Jean.« Ich behielt die Ruhe. Ich wollte auf etwas Bestimmtes hinaus, und manchmal musste man eben Umwege gehen.
»Was war euer Ziel?«
»Der Park.«
»Wie schön. Und wo hattet ihr Mama Rosa und die anderen treffen wollen?«
»Das habe ich vergessen.«
Es war natürlich nicht die Antwort, auf die wir gewartet hatten.
Noch überließ Voltaire mit den Vortritt, aber das würde sich bald ändern. Da brauchte ich ihn nur anzuschauen.
Dafür schaute ich Gomo an. Ich forschte in seinem Gesicht und sah ihm in die Augen. Ich wollte herausfinden, ob er noch normal war oder sich im Bann eines Voodoo-Zaubers befand, der ihn nur das tun ließ, was man von ihm verlangte. Ich traute Mama Rosa so einiges zu, und es gab ein Mittel, um das herauszufinden.
Es gibt Voodoo-Rituale, bei denen auch ein Kreuz eine Rolle spielt.
Allerdings im Verbund mit anderen Fetischen, denn bei dieser Magie bildeten Glaube und Aberglaube des öfteren eine Brücke.
Und dann gibt es Beschwörungen, die lassen kein Kreuz zu. Sie sehen es sogar als ihren Todfeind an. Sie gehören zu der dunklen Seite und sind nur auf die Hölle ausgerichtet.
Bei Gomo ging ich davon aus, dass er diese dunkle Beschwörung gehabt hatte.
Genau deshalb holte ich mein Kreuz hervor. Neben mir stand Voltaire. Seine Augen waren groß geworden, als er das Kreuz betrachtete. Er schüttelte sogar den Kopf und flüsterte: »Was soll das denn?«
»Warten Sie es ab.«
»Klar, das mache ich. Aber…«
»Bitte kein Aber. In meinem Job muss man oft andere Wege gehen. Ich hoffe, dass mir das Kreuz dabei hilft.« Nach dieser Antwort drehte ich mich sehr schnell um, sodass Gomo mich anschauen musste. Da er die Augen nicht schloss, sah er auch mein Kreuz.
Und das erschreckte ihn!
Von meinem Talisman ging keine Wärme aus. Es war auch kein Licht auf dem Kreuz zu sehen, und trotzdem gab es eine Botschaft ab, die den anderen erwischte.
Gomo kniete. Es war keine demutsvolle Haltung. Nur als er das Kreuz sah, senkte er den Kopf, schüttelte ihn, und wir hörten seine keuchende Antwort.
»Nimm es weg, verdammt!«
»Gern, wenn du geredet hast. Ich kann noch etwas anderes tun. Ich kann dich damit berühren und das Böse, das in dir steckt, austreiben. Du solltest also vorsichtig sein.«
»Ich hasse es! Wir haben ihm abgeschworen. Wir wollen es nicht sehen. Es störte uns auf unserem Weg.«
»Du fürchtest dich!«
»Ich will es nicht!«
»Dann rede. Ich will nur wissen, wo sich Mama Rosa, der Schnitter und Sandrine aufhalten. Das ist alles. Den Rest erledigen wir.«
»Sandrine lebt.«
»Umso besser für euch. Und
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