1474 - Der Schnitter
nicht so pessimistisch. Wir sollten uns lieber auf Janine verlassen, nicht wahr?«
»Ach, du bist entzückend, Jean.«
»Bin ich doch immer.«
»Und was hat Janine getan?« fragte Dagmar.
»Sie hat Timmy losgeschickt.«
»Wer ist das denn?«
»Ich bin Timmy.« Der Liliputaner hüpfte in die Höhe. »Ich – ich allein.«
»Und was hast du gemacht?« fragte ich ihn.
Timmy reckte sich, damit er mich sehen konnte. »Ich habe sie verfolgt. Wer achtet schon auf kleine Menschen? Die meisten Leute sind viel zu arrogant.«
»Was hast du denn gesehen?«
Timmy wandte sich an Janine. »Darf ich es den Fremden sagen?«
»Bitte.«
»Sie gingen in Richtung Pavillon, und der Wagen, aus dem sie gestiegen sind, folgte ihnen.«
»Was für ein Wagen?« fragte Harry.
»Er war schon älter. Dafür sehr groß. Ein schwarzer Mercedes. Er fuhr zwar nicht genau hinter den beiden her, aber die Richtung stimmte.«
»Wer saß darin?«
»Noch drei Leute. Eine Frau und zwei Männer. Aber fragt mich nicht, wie sie aussahen.«
Wir schauten uns an. Die Beschreibung passte. Den Wagen kannten wir. Er hatte schon vor dem Geschäft Pauline Perrots gestanden, wo wir eine Niederlage erlitten hatten.
Auch Voltaire wusste Bescheid. »Glück gehabt, wie?«
Ich nickte. »Kann man wohl sagen.« Danach kam ich auf den Pavillon zu sprechen, den der Liliputaner erwähnt hatte.
Voltaire hörte mir zu und schaute dabei zu Boden. Dann meinte er: »Wir können hingehen und uns umschauen. Nur weiß ich nicht, was die beiden dort hingetrieben hat. Es ist einer von vielen Treffpunkten, mehr nicht. Ich glaube nicht, dass sie gekommen sind, um sich dort mit Typen zu treffen, die eine schnelle Nummer suchen.«
»Was käme sonst in Frage?« meldete sich Dagmar.
»Ich weiß es nicht. Wir sollten Ausschau nach dem Mercedes halten. Er wird den Park kaum verlassen haben. Wenn die Sache gelaufen ist, wird der Wagen die beiden wieder aufnehmen und mit ihnen verschwinden.«
»Wer waren diejenigen, die im Wagen sitzen geblieben sind?« fragte Harry.
»Mama Rosa und ihre Aufpasser.« Voltaire hob die Schultern.
»Oder habt ihr eine andere Idee?«
»Nein, das nicht«, sagte Dagmar und zog Harry zugleich zur Seite, weil sie etwas gesehen hatte, das uns nicht aufgefallen war. Zwei Männer näherten sich dem Imbiss. Sie waren dunkel gekleidet und sie gingen nicht besonders schnell.
»Das sind sie, John!«
Ich brauchte nichts weiter zu sagen. Jetzt hatte auch ich sie erkannt. Es waren die beiden Leibwächter, die wir aus dem Dorf in Südfrankreich kannten. Ich dachte an die Giftpfeile und war entschlossen, mich diesmal nicht überraschen zu lassen.
Mit drei Sätzen klärte ich Voltaire über die Situation auf.
»Und was tun wir?«
»Bleiben Sie im Hintergrund. Wir stellen uns an die Theke und ins Licht. Ich bin gespannt, wie die Typen reagieren, wenn sie uns erkennen. Vergessen haben können sie uns nicht.«
»Okay, das wird spannend.«
Voltaire huschte davon. Janine hatte zwar etwas gesehen, aber nichts gehört.
»Was ist denn los?«
Ich trat als Erster an die Theke heran. »Im Moment nichts. Was immer auch passiert, halten Sie sich raus.«
»Gern. Ich hasse Schießereien.«
»Wir wollen hoffen, dass es nicht dazu kommt.«
Die beiden Schwarzen näherten sich. Da wir ihnen unsere Rücken zukehrten, waren wir nicht so leicht zu erkennen. Wir standen an der rechten Seite des Wagens. Es war also noch genügend Platz für die Zwillinge, um ihre Bestellung aufzugeben.
Es ging ihnen um nichts anderes. Sie bestellten sich die kleinen Baguettes, die mit Putenfleisch belegt waren.
»Bitte sehr.«
Die Zwillinge zahlten. In ihren dunklen Anzügen wirkten sie wie Bodyguards, die anderen Leuten den Zutritt zu irgendwelchen Shows verwehrten. Eben wie Security-Leute.
»Dann drehen wir uns mal um«, flüsterte ich Harry zu.
»Du sagst es.«
Wir drehten uns langsam um. Mit dem ersten Blick sah ich, dass sich die Zwillinge etwas vom Wagen entfernt hatten. Sie kauten an ihren Baguettes und hielten die Köpfe dabei gesenkt. Aber irgendetwas musste sie wohl gestört haben, dehn plötzlich veränderte sich ihr Verhalten. Ihre Köpfe zuckten hoch, als hätte ihnen jemand einen Tipp gegeben, und einen Augenblick später starrten sie uns an.
Es begannen die Sekunden zwischen Sicherheit und Schwanken.
Sie wussten nicht, ob wir es nun waren oder sie eine Halluzination erlebten. Aber sie erstarrten in ihren Bewegungen, schüttelten die Köpfe, schauten sich an, und als
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