1476 - Höllenbilder
diesen Stellen breiteten sich dunkle Flecken aus. Zwei Treffer im Rücken – einer direkt, der andere an der Seite – sorgten dafür.
Das Echsenwesen war nicht tot. Es hielt seine Messer fest. Zwei mussten noch in seinem Körper stecken, und darauf lag die Gestalt.
Ein Atmen oder, Keuchen hörte ich nicht, dafür andere Geräusche, die wie ein leises Knurren klangen.
War es geschwächt durch die geweihten Silbergeschosse?
Ich ging davon aus, dass es angeschlagen war, aber gerade solch einen Gegner sollte man auf keinen Fall unterschätzen. Und so war ich weiterhin auf der Hut, als ich um das Wesen herumschlich und den Kreis dabei immer enger zog.
Bill kauerte in der Nähe und zielte mit seiner Beretta auf den Echsenkörper.
Die Gestalt war schwach, das sah ich. Sie wollte sich hochstemmen, was ihr beim ersten Anlauf nicht gelang. Und die Flecken auf ihrem Körper vergrößerten sich.
Musste ich das Kreuz überhaupt noch einsetzen?
Das Monster startete einen erneuten Versuch. Diesmal kam es höher, und ich war bereit, einzugreifen. Aber ich musste es nicht mehr, obwohl sich das Echsenwesen auf den Rücken drehte und aus dieser Position seine Messer hätte schleudern können.
Es war ihm nicht mehr möglich, und dann passierte etwas, was selbst uns überraschte. Das Wesen begann sich aufzulösen. Schon öfter hatten wir so etwaserlebt, wenn ein Vampir zu Staub zerfiel oder ein Ghoul zerfloss und sein Schleim kristallisierte.
Hier verhielt es sich anders.
Das Echsenmonster verflüssigte sich. Der schreckliche Körper verlor sein dreidimensionales Aussehen, und im letzten Tageslicht war für uns zu sehen, dass aus ihm die Farben wurden, die der Maler gebraucht hatte, um es auf die Leinwand zu bannen. Farben, die etwas ölig aussahen, in der Regel grün waren und nun mit schimmernder Oberfläche auf dem Boden lagen, wobei unsere Kugeln durchschimmerten.
Und noch etwas geschah. Bevor sich die gesamte Gestalt in einer Farbmischung auflöste, erschien für einen winzigen Augenblick in Höhe der Brust eine dunkle und widerlich anzusehende Fratze, die eine dreieckige Form hatte.
»Asmodis – der Teufel!« stieß Bill Conolly hervor. »Er hat ihm die Kraft gegeben.«
Alles an dieser Gestalt war gemalt worden, auch die Messer, und so hatten auch sie sich aufgelöst. Es gab also offiziell keinen Mörder mehr, sondern nur noch die Farbreste auf dem Boden. Mehr war nicht zurückgeblieben…
***
Sprachlos umstanden wir den Rest.
Bill schüttelte irgendwann den Kopf und sagte mit leiser Stimme:
»Das ist mir auch noch nicht so untergekommen.«
»Stimmt.«
»Hast du eine Erklärung?«
»Es gibt nur eine«, sagte ich. »In diesem verdammten Bild stecken Höllenkräfte. Also können wir das Gemälde als ein Höllenbild ansehen. Der Teufel muss dem Maler die Hand geführt haben. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.«
»Und wer ist der Maler?«
Ich hob die Schultern. »Wenn ich das wüsste, wäre mir wohler. Wir müssen es herausfinden.«
»Ja, dann viel Spaß, wenn niemand weiß, welche Bilder er noch gemalt hat, um sie anschließend an Sammler zu verkaufen. Stell dir vor, die fangen alle an zu leben. Das wäre ja grauenhaft.«
»Du sagst es.«
»Und Wilson können wir nicht mehr fragen.«
»Dann werden wir eben nach Spuren suchen müssen. Ich lasse eine Mannschaft kommen, die das Haus auf den Kopf stellt. Irgendwo wird es schon einen Hinweis geben.«
Bill hatte zur Seite geschaut und wies auf den ankommenden Tonio. Er war noch ziemlich von der Rolle, denn bei jedem Schritt schwankte er benommen.
»Vielleicht weiß er etwas.«
»Viel Hoffnung habe ich nicht.«
Tonio blieb bei uns stehen. Sicherlich wollte er fragen, was mit diesem Echsenwesen passiert war, doch dann sah er, dass wir zu Boden schauten, und blickte selbst dorthin.
Es lag noch ein Rest von Farbe auf und zwischen den Grashalmen.
»Nein«, flüsterte Tonio, »das kann nicht sein. Ist – ist – das diese verdammte Gestalt?«
»Ja, das ist sie.«
»Nein!« Er schrie das Wort. Dann fing er an zu lachen, und es hörte sich an, als wäre er nahe daran, durchzudrehen. Er stieß einige Flüche in seiner Muttersprache aus, trampelte auf dem Boden und schlug schließlich die Hände vor sein Gesicht. Für Tonio war eine Welt zusammengebrochen.
Das traf bei uns zwar nicht zu, aber ein vertrackter Fall war das schon, was ich ehrlicherweise zugeben musste. In meinem Kopf drehten sich die Gedanken. Ich suchte nach einer Erklärung, die auch
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