1476 - Höllenbilder
fahren?«
»Wegen mir schon. Wo muss ich denn hin?«
Sie winkte ab. »Wenn Fremde mich fragen, dann sage ich immer London. In Wirklichkeit aber wohne ich außerhalb. Ich werde Ihnen sagen, wie Sie fahren müssen.« Sie stand auf. »Ich wohne in einem Kaff zwischen London und Sevenoaks.«
»Das ist ja nicht weit von hier.«
Sie nickte.
»Okay, dann wollen wir mal.« Elias Moore reichte Jessica den Arm, doch sie schüttelte den Kopf.
»Nein, ich möchte allein gehen. Das ist nicht gegen Sie, Elias, verstehen Sie?«
»Und ob. Ich würde kaum anders handeln.«
Beide gingen los. Es war nicht weit bis zur Tür, aber Jessica merkte schon das längere Sitzen. Ihre Muskeln mussten erst wieder geschmeidig werden. Hinzu kamen die Blessuren, die sie bei jeder Bewegung merkte, und sogar der Schweiß brach ihr aus.
Elias Moore öffnete die Tür. Als er das tat, bewegte sich die junge Frau nicht. Sie schaute hinaus und spürte ihren intensiven Herzschlag. Sie konnte sich gut vorstellen, dass der Verfolger vor der Hütte gelauert hatte und nun zuschlug.
Genau das passierte nicht.
Der ungefähr vierzigjährige Mann trat nach draußen und ging auf seinen Geländewagen zu, ohne angegriffen zu werden.
Jessica folgte ihm. Zwangsläufig ging sie langsamer, und sie musste auch immer wieder die Zähne zusammenbeißen. Denn jetzt, wo sie entspannter war, spürte sie ihre malträtierten Muskeln wieder deutlicher.
In der Hütte hatte es muffig gerochen. Jetzt war sie froh, wieder die frische Luft einatmen zu können. Sie musste sich nach rechts wenden, um den Wagen zu erreichen.
Eigentlich hatte Jessica gedacht, Elias Moore neben dem Fahrzeug stehen zu sehen, doch das war nicht der Fall. Sie sah ihn nicht, und plötzlich spürte sie die kalte Faust der Furcht, die ihr Herz umklammerte.
Zwei Sekunden später war er wieder da. Er hatte sich nur vor dem hohen Fahrzeug aufgehalten.
Etwas stimmte nicht mit ihm. Das lag nicht nur an seinem Gang, auch der Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er sah gespannter aus, und als er nahe an Jessica herangekommen war, sah sie die Unsicherheit in seinem Blick.
»Was ist geschehen?« flüsterte sie.
Moore blieb stehen. Mit rauer Stimme sagte er: »Ich denke, dass wir hier nicht so leicht wegkommen.«
»Und warum nicht?«
Elias Moore drehte sich halb um und wies auf sein Fahrzeug.
»Man hat die Reifen aller vier Räder zerstochen…«
***
Es war eine Situation wie in einem Albtraum.
Jessica Black war nicht in der Lage, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Alles, was sie zustande brachte, war ein Kopf schütteln.
»Doch, es ist wahr«, sagte Moore. »Warum sollte ich Ihnen etwas vormachen? Sie können sich selbst davon überzeugen. Da hat man uns einen bösen Streich gespielt.«
Jetzt brach es aus ihr hervor. »Das war er! Das war Nykill, der Maler. Er hat noch nicht aufgegeben, mich wieder einzufangen.« Sie lachte schrill. »Himmel, wie konnte ich auch nur im Traum daran denken. Er hat sein Monster geschickt und wird sein Opfer nicht aus den Klauen lassen.«
Jessicas Reaktion gefiel Elias Moore ganz und gar nicht. »Nun beruhigen Sie sich erst einmal. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht ist. Wir überlegen gemeinsam, was wir unternehmen können.«
»Wir kommen hier nicht weg!«
»Abwarten.«
»Nein, wir befinden uns in einem Hinterhalt. Das – das können wir einfach nicht schaffen. Der Maler und sein Monster haben alles im Griff. Glauben Sie mir!«
Moore drehte sich zu Jessica um. »Bitte keine Panik. Das bringt uns nicht weiter. Wir müssen die Ruhe bewahren, sonst hat die andere Seite schon gewonnen. Und ich denke, dass dies keiner von uns will. Gehen Sie wieder zurück in die Hütte.«
Sie ging zwar, aber nicht zurück in die Hütte. Auf der Schwelle blieb sie stehen, um zu schauen, was Moore vorhatte. Er war ein Mann, der Sicherheit und Vertrauen ausstrahlte, doch in diesem Fall war auch er machtlos. Beide hatten sie jetzt einen Gegner, der sich im Hintergrund aufhielt und der nur dann auftauchte, wenn er es für richtig hielt.
Als Moore sich wieder umdrehte und auf die Hütte zukam, ging auch Jessica hinein.
»Gesehen habe ich nichts«, sagte er. »Es ist alles wie gehabt. Aber wir müssen damit rechnen, dass wir unter Beobachtung stehen.« Er schloss die Tür.
»Und was können wir tun?«
»Das ist schwer zu sagen. Ich weiß es nicht, Jessica.«
»Haben Sie eine Waffe hier?«
»Nein, keine Schusswaffe.« Er deutete auf eine alte Truhe, die im
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