1477 - Das steinerne Grauen
aufsteigen.
Lässig stieß sie sich von der Tür ab. »Du kannst etwas trinken, Maxine.«
»Danke, darauf verzichte ich.«
»He, sei nicht stur. Ich habe auch etwas Alkoholisches hier. Das passt immer.«
»Nein, ich möchte nichts.«
»Setz dich!«
Maxine tat es. Sie wollte Jolanda nicht unbedingt provozieren, denn Maxine hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Es gab jemanden im Hintergrund, der alles tun würde, um sie zu finden.
Jolanda schaute sie scharf an. »Was meinst du, Frau Doktor? Wer kann sich da draußen aufhalten?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Wird man nicht nach dir suchen?«
»Wer kann denn schon wissen, dass Sie mich entführt haben? Es kann ja auch sein, dass sich Ihre Hunde geirrt haben.«
Der Ausdruck in den Augen der Frau wechselte.
»Geirrt haben?« flüsterte sie scharf. »Nein, verdammt, hier hat sich niemand geirrt. An so etwas ist nicht mal zu denken. Es gibt keinen Irrtum. Ich kann mich auf meine Hunde verlassen, und daran gibt es nichts zu kritisieren. Sie haben etwas gewittert, das ihnen nicht gefallen hat. Eine verdammte Gefahr. Oder etwas, das einfach nicht hier hergehört. Aber du brauchst dir keine Hoffnungen zu machen. Meine Hunde wissen genau, wie sie sich zu verhalten haben.«
»Werden sie töten?«
»Ja, das werden sie. Sollte ihnen irgendetwas in die Quere kommen, werden sie entsprechend handeln.«
Maxine hob die Schultern. Sie hatte keine Lust, sich weiterhin mit diesem Thema zu beschäftigen. Andere Dinge waren für sie im Moment wichtiger. Allmählich ging ihr die Gefangenschaft auf die Nerven. Sie fühlte sich wütend und ausgelaugt zugleich. Sie hatte die ganze Zeit über nichts gegessen, und es meldeten sich auch andere menschliche Bedürfnisse, und so fragte sie nach einer Toilette.
»Komm mit.«
»Wohin?«
»Mitkommen.«
Beide Frauen gingen durch die Halle. Die beiden Hunde blieben in ihrer Nähe und beobachteten. Die alte Toilette war nichts anderes als ein Abtritt und sah entsprechend aus.
Jolanda Gray bemerkte Maxines skeptischen Blick.
»Du kannst in einem solchen Bau nicht mehr verlangen.«
»Schon gut.«
»Ich warte hier.«
Das tat sie tatsächlich.
Maxine war froh, dass sie den Abtritt endlich wieder verlassen konnte.
»Und? Was willst du noch?«
»Von hier weg!«
Jolanda Gray lachte bissig auf. »Das kann ich mir denken. Aber du stehst dir und mir noch immer im Weg, denn du hast mich nicht davon überzeugen können, dass du dich auf meine Seite stellen willst. Erst wenn ich das Gefühl habe, dass du umgedacht hast, können wir über deine Freiheit reden.«
»Das können Sie nicht durchhalten.«
»Doch!«
»Sie haben doch einen Job, verdammt!«
»Habe ich.«
»Führen Sie den hier in diesem Loch aus?«
»Nein. An der Küste. Fast schon in Dundee. Ich habe ein Haus im Grünen wie man so schön sagt. Dort therapiere ich. Wer zu mir finden will, der schafft es, darauf kannst du dich verlassen. Es ist alles in Ordnung, glaube mir.«
Maxine erwiderte nichts darauf. Es hatte keinen Sinn, mit dieser Frau zu diskutieren.
Sie wunderte sich darüber, dass draußen noch nichts passiert war.
Die suchenden Hunde hätten eigentlich jemanden finden müssen, um sich dann zu melden, aber bisher hatte sich nichts getan.
Sie fragte sich, wann auch Jolanda nervös werden würde. Wenn alles stimmte, was sie erzählt hatte, stand sie auf einer anderen Ebene mit ihren Tieren in direkter Verbindung.
Und sie merkte tatsächlich etwas. Es geschah, als die beiden Frauen ihren alten Platz wieder erreicht hatten. Maxine wollte sich schon setzen, da zögerte sie, denn Jolandas Verhalten hatte sich verändert.
Sie sah aus, als hätte sie sich auf die Zehenspitzen gestellt. Ihr Gesicht war starr geworden, der Mund stand halb offen und ihr Blick schien nach innen gerichtet zu sein.
Maxine hütete sich, ihr eine Frage zu stellen. Sie wollte von der Frau selbst hören, was sie so verändert hatte.
Ein Fluch, noch einer. Leise gezischt. Dann ein heftiges Kopfschütteln und die scharfen Worte: »Sie sind – es ist…«
»Was ist denn los?«
Jolanda Gray schaute Maxine für einen winzigen Moment an. »Ich spüre, dass etwas nicht stimmt. Ich kenne meine vierbeinigen Freunde. Ich sehe praktisch durch ihre Augen…«
»Und was sehen Sie?«
»Nichts«, flüsterte Jolanda, »ich spüre es nur. Sie sind nicht mehr allein, das wissen sie.« Plötzlich stand sie starr. Da bewegte sich nichts mehr bei ihr, und Maxine ging davon aus, dass sie etwas erlebte oder
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