1477 - Die Piratin
rief Shen-Dong ungläubig. „Oh, ja, ich weiß, daß es so etwas gibt. Aber doch nicht hier.
Bekanntlich muß der Existenzebene, auf der fast hundert Prozent unseres Universums existieren, also auch wir und der Planet Nansar, eine Unmenge Fremdenergie zugeführt werden, um das Energieniveau eines lokal begrenzten Teiles so zu verändern, daß es aus der Wahrnehmung aller unveränderten Lebewesen verschwindet. Aber woher sollte hier dieses Energiequantum gekommen sein, das die Hauri und den Galaktiker und einen Teil Nakkarans auf ein anderes Existenzniveau gehoben oder gesenkt haben könnte?"
„Frage Xaador!" gab die Planta zurück. „Er hat mich auf die Idee gebracht, indem er über >die Nebeneffekte von etwas Größerem< sprach. Ich grübelte seitdem über die Bedeutung dieser Aussage nach und kam vor ein paar Minuten zu dem Schluß, daß der Nakk damit eigentlich nur eine Entartung des zu Nakkaran gehörigen Hyperraums gemeint haben kann, durch deren energetische Emissionen vorübergehend und örtlich begrenzt Materie von der >normalen< Existenzebene auf abweichende und kurzlebige Existenzebenen versetzt wird. Ob das die wissenschaftlich exakte Definition ist, weiß ich zwar nicht, aber das spielt für mich auch keine große Rolle. Hauptsache, wir haben eine akzeptable Erklärung für den >Spuk<, der Nakkaran für die Nakken zur Geisterstadt machte."
„Ja, das klingt akzeptabel", warf Gungka-Im ein. „Xaador hat sich also mit seinen besonderen Fähigkeiten dieser Nebeneffekte bedient. Ich frage mich allerdings, warum er dann nicht mit uns auf eine andere Existenzebene ging, anstatt mit den Hauri. Es scheint, als hätte er seinen Willen von deinem Zwang befreit, Aro."
„Aber das ist unmöglich!" widersprach die Planta heftig. „Als wir mein Schiff verließen, betrug die Wirkungsdauer der letzten Injektion, die ich Xaador gab, noch vier Stunden. Seitdem sind erst knapp zwei Stunden vergangen."
„Du irrst", wandte Shen-Dong ein. „Mein Chronograph zeigt mir, daß seit dem Verlassen der INSHYAN viereinhalb Stunden verstrichen sind."
Aro To Morre winkelte den Arm an und musterte den Chronographen an ihrem Armbandgerät. „Tatsächlich!" entfuhr es ihr. „Dann ist der Zeitablauf während unseres Aufenthalts auf einer anderen Existenzebene schneller als normal gewesen. Ja, das wäre möglich, denn die Naturgesetze variieren auf den verschiedenen Existenzebenen."
Sie lachte abrupt und vollführte eine abwehrende Geste. „Aber warum zerbrechen wir uns den Kopf darüber? Zum Teufel mit Xaador!" Sie hob die Hand mit dem Beutel hoch, in dem die Amimotuo steckte. „Ich habe das hier - und das ist wertvoller als tausend Blau-Nakken. Wir kehren zum Schiff zurück. Dort werde ich das Wissen der Amimotuo sondieren, um meine nächsten Unternehmungen planen zu können. Macht und Reichtum warten auf mich - und ihr werdet daran teilhaben. Kommt!"
*
Eine Stunde später mußte die Piratin sich eingestehen, daß sie Testare unterschätzt hatte.
Gleich nach der Ankunft auf ihrem Schiff war sie in ihre Kabine gegangen, um sich in der Abgeschiedenheit besser auf die Handhabung der Amimotuo konzentrieren zu können.
Seitdem hatte sie alle nur denkTaaren Versuche angestellt, um an den Inhalt des Abstraktspeichers heranzukommen. Alle ihre Versuche waren jedoch kläglich gescheitert. Die Amimotuo besaß keine erkennbaren Ein- und Ausgabeeinheiten und überhaupt nicht die geringsten Möglichkeiten, Schaltungen vorzunehmen.
Da in der Kristallstruktur der Amimotuo aber nach Aros Überzeugung ein Computer enthalten sein mußte, weil ihr sonst weder Daten eingegeben noch von ihr abgerufen werden konnten, versuchte die Planta, diesen Computer durch Anstrahlung der Amimotuo mit hyperenergetischen Impulsfolgen zu aktivieren.
Doch obwohl sie den Bordcomputer ihres Schiffes die Auswahl der Impulsfolgen und Frequenzen vornehmen ließ, mußte sie bald einsehen, daß das nicht mehr sein konnte als eine Art Glücksspiel. Wenn der Abstraktspeicher überhaupt dafür programmiert war, auf eine ganz bestimmte Impulsfolge einer bestimmten Frequenz anzusprechen, dann konnte es unter Umständen Jahre dauern, das durch Herumprobieren zu treffen.
Erschöpft lehnte sich die Planta schließlich in ihrem hochlehnigen Kontursessel zurück und starrte aus tränenden Augen auf das eiförmige Gerät, dessen ungezählte Mikrofacetten sie höhnisch anzufunkeln schienen. „Er hat es gewußt!" sagte sie mit widerwilliger Hochachtung. „Der
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