1481 - Wenn alte Leichen lächeln ...
müssen. Jetzt ist sie verschwunden. Dafür finden Sie auf dem Boden einen toten Arzt.«
»Wissen Sie etwas über den Mörder, Mr. Sinclair?«
Ich hob die Schultern. »Es ist möglicherweise die Tote.«
Clarke runzelte die Stirn.
»Dabei gehe ich davon aus, dass die weibliche Leiche nicht tot gewesen ist«, fuhr ich fort. »Sie verstehen?«
»Nein, nicht so recht. Da bin ich ehrlich. Aber ich weiß, mit welchen Fällen Sie sich beschäftigen, Mr. Sinclair. Da, denke ich, bin ich mit meiner Mannschaft außen vor.«
»Stimmt. Ich kann Ihnen nur sagen, was hier passiert ist. Natürlich aus unserer Sicht.«
»Okay, ich höre.«
Nicht nur er hörte zu, auch Suko, der zurückkehrte und die Tabletten besorgt hatte. Meine Aussage nahm der Kollege auf Band auf.
Ob er zufrieden war, wusste ich nicht. Wahrscheinlich nicht, aber das war mir egal.
Als wir beide die Tabletten geschluckt hatten, traf auch der Chef der Klinik ein, der völlig außer sich war und überhaupt keine Erklärung hatte.
Das konnten wir verstehen, und wir verstanden auch seine Hilflosigkeit. In einem leeren Büro erklärten wir ihm, dass es ein Fall war, der nur uns etwas anging, und dass vor allen Dingen die Presse herausgehalten werden musste.
»Das verstehe ich.« Er rieb seine Hände und tupfte danach den Schweiß von seiner Stirn. »Aber ob das noch möglich ist, das weiß ich beim besten Willen nicht.«
»Warum nicht?«
»Es hat sich doch schon wie ein Lauffeuer herumgesprochen, was hier in der Klinik passiert ist, und ich kann nicht für jeden meiner Mitarbeiter die Hand ins Feuer legen.«
»Das verstehen wir. Aber wenn eben möglich, dann halten Sie es bitte unter Verschluss.«
»Ja, natürlich.« Er strich durch sein dickes braunes Haar und wühlte seine Frisur auf. »Kann ich davon ausgehen«, fuhr er fort, »dass Sie beide den Mörder jagen werden?«
»Das versuchen wir.«
Er kam jetzt zum eigentlichen Thema. »Diese ungewöhnliche Leiche ist verschwunden, nicht wahr?«
»Das ist sie«, gab ich zu.
»Ich habe sie auch gesehen, Mr. Sinclair. Man hat sie mir kurz nach der Einlieferung gezeigt.« Er musste schlucken, bevor er weiter sprach. »Ich habe in meiner Laufbahn schon viele Tote gesehen, wie Sie sich vorstellen können, aber so etwas ist mir noch nie zuvor unter die Augen gekommen. Es soll eine alte Leiche gewesen sein…«
Er bewegte fahrig seine Hände. »Kennen Sie die Tote überhaupt?«
»Vom Foto her.«
»Sind Ihnen die Augen ebenfalls aufgefallen?«
Ich nickte.
»Die waren nicht normal!« flüsterte er. »Verdammt, das sind sie nie und nimmer gewesen. Die Augen sahen nicht tot aus. Sie hätten auch ebenso gut einer lebenden Person gehören können.«
»Und was schließen Sie daraus?«
»Das weiß ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil alles so unwahrscheinlich ist! Weil es so etwas nicht geben kann.«
»Normal ist das nicht, da haben Sie recht.«
»Eben, das meine ich.« Er hob den Kopf, um mir direkt ins Gesicht zu schauen. »Kennen Sie den Namen der Leiche, Mr. Sinclair?«
»Ja, sie heißt Gale Hanson.«
»Genau…«, sagte er und sinnierte. Dabei machte er den Eindruck, als wollte er uns etwas sagen. Obwohl er den Kopf schüttelte, sagte ich: »Raus mit der Sprache.«
»Ach, das ist nur eine Vermutung.«
»Bitte, alles ist wichtig.«
»Na gut, Mr. Sinclair, aber nehmen Sie mich bitte nicht beim Wort. Lassen Sie uns mal davon ausgehen, dass ich die ganze Geschichte kenne. Sogar ihr Grab.«
»Ach…«
»Ja, ja, das ist nicht ungewöhnlich«, erklärte der Klinikchef. »Ich bin öfter auf dem Friedhof, denn ich stamme von hier. Ebenso wie meine Eltern. Sie liegen dort in einem Doppelgrab und auch nicht weit vom Grab dieser Gale Hanson entfernt. Es ist noch nicht lange her, dass ich das elterliche Grab besucht habe. Auf dem Weg dorthin musste ich auch das andere passieren, und ich kann mich daran erinnern, dass ich dort eine Frau gesehen habe.«
»Am Grab der Gale Hanson?« hakte ich nach.
»Ja.«
Jetzt wurde auch Suko wieder richtig wach. Er drehte sich auf seinem Stuhl so, dass er den Klinikdirektor anschauen konnte.
»Diese Frau, die dort tief in Gedanken versunken stand und die mich deshalb nicht gesehen hat, die kannte ich.«
»Wer war es?«
»Ellen Long.«
»Bitte?«
Er wiederholte den Namen und sah, dass ich anfing zu nicken.
»Kennen Sie die Frau, Mr. Sinclair? Sie ist Maklerin. Durch sie habe ich meine Wohnung hier in der Nähe bekommen. Nun ja, sie stand am Grab dieser Toten, die
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