1482 - Clarissas Sündenfall
Schutz, denn die Temperaturen waren nicht so weit gesunken, als dass man es im Freien nicht hätte aushalten können. So entschied sich Jane für einen Platz vor dem Café und wartete jetzt nur darauf, dass John Sinclair anrief.
Das tat er nicht.
Jane gab die Bestellung bei einem jungen Mann auf, der eine lange weiße Schürze umgebunden hatte. Sie bestellte einen Kaffee und eine kleine Flasche Wasser.
»Auch etwas zu essen?« wurde sie gefragt.
»Was können Sie denn anbieten?«
»Wir haben sehr frische Pasteten. Wild, Kalb, Schwein. Dazu die leckeren Soßen, das ist schon was Feines.«
Jane Collins musste lachen, weil der junge Mann seine Ware so perfekt anpries.
»Dann nehme ich eine Pastete. Und zwar die vom Kalb.«
»Sehr gut.«
Jane Collins verspürte tatsächlich einen leichten Hunger. Da konnte eine Pastete nicht schaden.
Der Kaffee wurde schnell gebracht, zusammen mit dem Wasser.
Nur John Sinclair hatte noch nichts von sich hören lassen, und das gefiel Jane Collins gar nicht. So lange konnten die Nachforschungen doch nicht dauern. Oder war auch John auf Granit gestoßen?
Sie dachte darüber nach, ihn selbst anzurufen. Aber erst wenn sie gegessen hatte, wollte sie es tun. Der Kaffee schmeckte ihr gut. Er war cremig, auch entsprechend heiß, und als die Pastete serviert wurde, glitt ein Lächeln über ihr Gesicht. Sie sah wirklich perfekt aus. Eine kleine Schale mit einer Johannisbeersoße wurde ebenfalls serviert, eine Scheibe Toast gab es dazu und ein paar Salatblätter.
»Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit.«
»Danke sehr.«
Jane freute sich auf das kleine Mahl. Sie nahm die Soße zur Pastete und genoss den ersten Bissen. Es kam plötzlich ein Urlaubsgefühl in ihr hoch.
Wann konnte sie schon mal entspannt in einem kleiner Ortschaft im einem Café sitzen, gut beschirmt von den Blättern zweier Platanen, umgeben von Vogelgezwitscher, denn die gefiederten Freunde hatten sich noch nicht alle auf den Weg gen Süden gemacht.
Eine Idylle im Ort, denn auch der Autoverkehr hielt sich hier in Grenzen.
Den Begriff Idylle hätte Jane besser nicht benutzt, denn die wurde gestört.
Der plötzliche Lärm schreckte sie auf. Er drang von der linken Seite her auf sie zu. Er glich einem knatternden Donner, der sich durch den Ort pflanzte und so etwas wie ein Echo hinterließ.
Jane Collins hob den Kopf an. Ihr reichte ein Blick zur Straße hin, um zu sehen, wer ihre Ruhe störte.
Vier Personen hockten auf ihren Motorrädern. Die Fahrer trugen alle Helme, sodass von ihren Gesichtern nichts zu erkennen war. Es war auch nicht zu sehen, ob es sich bei ihnen um männliche oder weibliche Personen handelten.
Diese Kavalkade zerstörte die friedliche Stimmung in Thorpe.
Jane Collins ließ das Besteck sinken und vergaß ihr Essen. Nur wenige Meter weiter führte die Straße entlang, und die vier Rocker rollten sehr langsam. Es war sogar zu befürchten, dass sie hier anhielten, um eine Pause einzulegen. Aber zum Glück fuhren sie weiter.
Jane gelang es, einen Blick auf die Rücken der Lederjacken zu werfen. Auf ihnen malten sich blutrote Totenköpfe mit gekreuzten Knochen ab. Diese Abbildungen sollten zeigen, zu welcher Sorte die Typen gehörten.
Neben sich hörte Jane ein Flüstern und sah, dass der junge Mann nach draußen getreten war. Erst als die Kavalkade vorbeigefahren war, entspannte er sich.
»Was haben Sie?« fragte Jane.
Er wischte Schweiß von seiner Stirn. »Ich habe schon gedacht, sie würden anhalten und uns einen Besuch abstatten.«
»Haben Sie das denn schon erlebt?«
»Nein, das zum Glück nicht. Aber diese Rocker sind keine Ausnahme. Es fahren öfter welche durch Thorpe. Einige haben auch angehalten. Zum Glück nicht bei mir. Sie hatten sich für einen Pub weiter oben entschieden. Nachdem sie gegessen und getrunken hatten, bezahlten sie nur die Hälfte der Summe. Der Besitzer war froh, überhaupt Geld von ihnen bekommen zu haben. So ist das gewesen.«
»Warum ist es genau dieser Ort?«
»Das ist leicht zu erklären. Weiter südlich gibt es eine sehr kurvenreiche Straße. Sie nehmen sie gern als Rennstrecke. Drei Jahreszeiten sind für sie gut. Da kann man sich nur auf den Winter freuen.«
Jane lachte. »Bitte, Sie dürfen das nicht so eng sehen. Nicht alle Rocker sind auch Verbrecher.«
»Klar, Madam. Ich sehe sie trotzdem lieber fahren als kommen. Können Sie auch verstehen – oder?«
»Aber sicher.«
Der Lärm war verebbt, und Jane Collins widmete sich dem Rest ihrer
Weitere Kostenlose Bücher