1482 - Clarissas Sündenfall
Pastete. Wenn sie den gegessen hatte, würde sie versuchen, John Sinclair zu erreichen.
Den letzten Bissen spülte sie mit einem Schluck Wasser hinunter, als sich ihr Handy meldete.
»Na bitte«, kommentierte sie und holte den flachen Apparat aus der rechten Tasche ihrer grasgrünen Lederjacke, die sie zu den hellbraunen Jeans trug.
»Endlich«, sagte sie.
»Wieso? Hast du auf mich gewartet?«
»Nein, überhaupt nicht, John. Ich habe nicht auf dich gewartet. Ich sitze hier, schlage mir den Bauch voll, trinke auch was dazu…«
»… und ärgerst dich, dass ich noch nichts von mir habe hören lassen.«
»Sehr richtig.«
»Was isst du denn?«
»Eine sehr leckere Kalbspastete.«
»Hört sich gut an.«
»Mal langsam, Geisterjäger, wir wollen uns nicht über das Essen unterhalten, sondern über den Fall. Du hast recherchiert, das weiß ich, und nun bin ich gespannt, was du herausgefunden hast.«
»Dauert es lange, bis die Pastete serviert wird?«
»Hör doch damit auf.«
»Wieso? Du kannst mir eine bestellen.«
»Wie – was…?«
»Rate mal.«
Erst jetzt wurde Jane klar, was ihr Freund damit gemeint hatte.
»Du bist bereits unterwegs!«
»Genau. Rechne mit nicht mehr als zehn Minuten. Und sag mir, wo ich dich finden kann.«
»Ich sitze hier auf dem Präsentierteller.« Sie beschrieb, wo John stoppen musste.
»Okay, bis gleich dann.«
»Ja, bis gleich, du alter Hundesohn. Eine alte Frau so auf den Arm zu nehmen…«
Den letzten Satz bekam John Sinclair nicht mehr mit. Da hatte er bereits aufgelegt.
***
Ich lächelte noch immer, als ich den geparkten Rover verlassen hatte und auf die Tische zuging, die unter zwei Bäumen vor dem Café standen. Nur ein Tisch war besetzt. Dort saß Jane Collins, an ihrem blonden Haar leicht zu erkennen.
Hier konnte man in der Tat entspannen, etwas essen, auch was trinken, und das hatte Jane getan. Sie winkte mir schon zu, und Sekunden später umarmte ich sie.
»Na, ging das nicht flott?«
»Mehr als das. Ich habe damit gerechnet, dass du – na ja – alles für übertrieben halten wirst, was ich dir erzählt habe.«
Ich setzte mich hin, und schon wurde die Pastete serviert. Jane hatte die Flasche Wasser für mich gleich mitbestellt. Als ich das Gericht vor mir sah, bekam ich schon Hunger.
Bevor ich aß, gab ich ihr einen kurzen Bericht. Janes Augen weiteten sich, als ich auf die Nonne zu sprechen kam.
»Also doch«, sagte sie.
»Wieso?«
Während sie antwortete, aß ich von der wirklich tollen Pastete.
»Ich habe durch Zufall mit einem Einwohner sprechen können. Es war ein älterer Mann, und er hat auch von einer Nonne berichtet, die in der Nähe des Tatorts gesehen wurde. Sie fuhr auf ihrem Rad weg.«
»Sehr gut. Da reimt sich einiges zusammen. Aber die Kollegen, die sich im Kloster erkundigt haben, sind bei den Nonnen auf Granit gestoßen.«
»Haben die frommen Frauen gemauert?«
»Das kann man so sagen.«
»Und die Polizei?«
Ich winkte ab. »Sie haben das Verhör oder die Verhöre eingestellt und suchen jetzt wohl nach einer anderen Spur.«
Jane verzog den Mund und meinte: »Es ist immer etwas heikel, wenn man sich mit den frommen Frauen anlegt.«
»Klar.«
»Aber du bist schnell gekommen.«
Ich hob die Schultern. Dabei tupfte ich mir mit der Serviette die Lippen ab. »Das bin ich, weil ich das Gefühl habe, es hier mit keinem normalen Mord zu tun zu haben. Da kann mehr dahinter stecken, und ich weiß auch, wo wir mit der Befragung beginnen werden.«
»Im nahen Kloster bei den Nonnen.«
»So ist es.«
Jane lehnte sich zurück und ließ mich essen. Danach sagte sie: »Ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich habe keinen Beweis, aber die Schwester wird uns bestimmt mehr sagen können.«
»Vorausgesetzt, wir finden sie. Die Kollegen hat man auflaufen lassen.«
»Das wird uns nicht passieren.«
Ich musste nicht erst zustimmen. Jane hatte mit aller Entschiedenheit gesprochen. Und sie wollte noch wissen, ob ich die Kollegen aus Staines über meine Fahrt nach Thorpe informiert hatte.
»Nein, wo denkst du hin? Das ist eine Sache, die sie nichts angeht. Auch hier weiß niemand Bescheid.«
»Auch nicht dieser komische Mason Hall, der mich so hat abfahren lassen? Ein blöder Typ.«
»Sei nicht so streng, Jane. Vielleicht kann er nicht aus seiner Haut heraus.«
»Er mag keine Privatdetektive.«
»So etwas gibt es.«
»Und ich lade dich heute mal ein.«
»Ohhh – hätte ich das gewusst, dann hätte ich noch eine zweite Pastete
Weitere Kostenlose Bücher