1483 - Der Hollywood-Vampir
sich in einem dunklen Blau und mit Sternen übersät, wobei der Mond wie ein blassgelbes Auge in der Nähe stand und alles beobachtete. Es war der fast volle Mond, den Vampire so mochten.
Auch in den Filmen hatte immer der Vollmond eine Rolle gespielt.
Nur war das vorbei. Jetzt gab es die Filme für sie nicht mehr, sondern nur die Realität.
Sie trat vom Fenster weg, ließ es aber offen. Dann setzte sie sich aufs Bett und ließ sich wenig später zurück aufs Kopfkissen fallen.
So blieb sie liegen.
Alles war wie damals in den Filmen. Nur war sie da um fünfzig Jahre jünger gewesen. Da hätte sie mit so vielen tollen Männern schlafen können. Sie hatte es nicht getan. Sie war sehr wählerisch gewesen, was manchen Typen geärgert hatte.
Und jetzt lag sie wieder in der fast gleichen Position. Im Film hatte sie laut Drehbuch auf den Blutsauger warten müssen, und nun wartete sie erneut auf ihn.
Wenn sie nach rechts schielte, sah sie das breite Fenster. Dahinter lauerte die Nacht, und die war ein Freund der Vampire.
Armando Diaz würde sich wohl fühlen.
Er sieht noch immer so aus wie früher – und ich nicht!, dachte sie.
Ich bin alt geworden. Ich muss mich bereits auf den Tod vorbereiten, mehr bleibt mir nicht übrig.
Minuten vergingen. Normalerweise wäre Kate schon längst eingeschlafen. Das gelang ihr in dieser Nacht nicht. Sie war nicht erregt, es gab bei ihr kein wallendes Blut wie früher, sie war einfach nur gespannt darauf, was folgen würde.
Kam er wirklich?
Wieder schaute sie zum Fenster und durch die blanke Scheibe. Dahinter sah sie eine Bewegung, die nicht durch einen Schatten verursacht wurde. Es war ein heller großer Fleck, der dort für einen Moment von einer Seite zur anderen zuckte.
Armando?
Die Frage schwebte noch unbeantwortet im Raum, als das Fenster bis zum Anschlag aufgezogen wurde und sie überdeutlich den Körper eines Mannes sah.
Ja, es war Armando Diaz, der Hollywood-Vampir!
***
Manchmal bleibt die Zeit im Leben eines Menschen stehen. Oder es kommt ihm auch nur so vor.
Kate Rome erlebte das in diesen Augenblicken. Sie lag noch immer bewegungslos auf dem Bett, aber etwas hatte sich an ihren Gefühlen geändert. Sie wusste nicht mehr, ob sie sich in der Gegenwart befand oder in der Vergangenheit. Beide Zeitebenen vermischten sich miteinander, denn die Szene, die sie hier durchlitt, die kannte sie aus dem Film »Blutspur«.
Da hatte sie ebenfalls im Bett gelegen. Da hatte sich der Vampir am Fenster eines viktorianischen Hauses gezeigt. Bekleidet mit einem cremefarbenen Smoking. Mit einem weißen Hemd darunter und der ebenfalls weißen Fliege, Armandos Markenzeichen. Und nun wiederholte es sich.
Kate dachte nichts mehr. Ihr Denken war einfach ausgeschaltet.
Sie konnte nur schauen, doch in ihrem Innern rumorte es. Da war plötzlich die Angst vorhanden, die hoch bis in ihre Kehle stieg und ihr den Atem raubte.
Wie lange alles dauerte, konnte sie nicht sagen. Der Vampir hatte ein Bein angehoben und den rechten Fuß auf die Fensterbank gestellt. Es sah aus, als wollte er jeden Augenblick zum Sprung auf das Bett ansetzen, doch das tat er nicht.
Stattdessen stieg er mit katzengleichen Bewegungen ins Zimmer.
Ja, so war es auch in dem Film gewesen, an den sich Kate immer deutlicher erinnerte.
Jetzt stand er im Zimmer.
Die nächsten kleinen Schritte brachten ihn bis an das Bett heran, und zwar an die Seite, an der die Frau wie auf einem Gabentisch lag.
Sie hielt den Kopf noch immer leicht schräg und schaute in das Gesicht, das sich jetzt zu einem Lächeln verzogen hatte, vor dem sie keine Angst zu haben brauchte.
»Du…«, flüsterte sie, »du bist gekommen …«
»Ja, ich.«
»Und?«
»Nichts und«, sagte er leise. »Ich konnte dich einfach nicht vergessen. Ich konnte es nicht…«
Sie nahm all ihren Mut zusammen und flüsterte: »Aber du bist doch tot, Armando!«
»Sehe ich wirklich so tot aus, Liebste?«
Kate zuckte zusammen. Wie hatte er sie genannt? Liebste! Als wären keine Jahrzehnte vergangen. Sie fasste es nicht. Es war einfach unmöglich. Aus ihrem Mund drang ein Stöhnen, das allerdings nicht auf irgendeine Angst hinwies.
»Nein, du siehst nicht tot aus.«
»Eben. Ich lebe, Kate, ich lebe!«
Dieser Satz hinterließ in ihrer Brust einen Stich. Etwas schien ihr Herz getroffen zu haben, und sie hatte dabei das Gefühl, innerlich und auch äußerlich zu vereisen.
Diaz lächelte, und er lächelte bewusst, denn so sah Kate seine Vampirzähne, die leicht
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