1483 - In den Ruinen von Lokvorth
waren in jenen Bezirk unterwegs, der nach Theodoras Aussage das Revier der Aristos und der Artista war. Theodora hatte versucht, Benno den Unterschied zwischen Verbalartisten und Verbalaristokraten zu erklären. Auf einen einfachen Nenner gebracht, unterschieden sich die beiden Gruppen dadurch, daß die einen aggressive Schnell- und Vielredner waren, während die anderen auf besänftigende und gepflegte Sprache wert legten - oder zumindest auf eine Art des Sprechens, die sie als gepflegt ansahen.
Bisher waren sie jedoch noch auf keine Vertreter einer dieser beiden Gruppen gestoßen. Die Lokvorther, denen sie auf der Straße begegneten, schenkten ihnen keine besondere Beachtung. Es kam schon mal vor, daß sich ein obskure Gestalt an sie heranmachte. Aber in diesem Fall genügte es zumeist, daß Theodora einen Schwall von Nonsenslauten von sich gab, um den aufdringlichen Störenfried zu verjagen. Sie täuschte darnit vor, ein Artista zu sein, und vor solchen nahm jedermann Reißaus, wollte er sich nicht niederplärren lassen.
Einmal wollte sich einer aus der Diebsgilde, ein Kind noch, an Benno heranmachen, verbrannte sich aber an seinem Individualsch.utzsch.irm, der sich um seinen SERUN schmiegte, die geschickten Finger.
Lingam Tennar hatte seinen Hyperdim-Resonator bei sich und stand mit diesem und seinem nakkischen Begleiter in fast permanenter Konversation. Der Hyperdim-Resonator war, wie Benno erfahren hatte, ein Gerät, mit dem man Raumzeitfalten, die wiederum eine Spezialität der Nakken waren, orten konnte.
Lingam Tennar trug dem Resonator auf dem Rücken; er brauchte keine Schaltungen vorzunehmen, sondern steuerte ihn akustisch.
Der Haluter war überzeugt, daß die Nakken aus dem Humanidrom überall in Lokvorth-Therm Raumzeitfalten zu ihrer persönlichen Erbauung errichtet hatten, die es nun aufzuspüren galt. Darum gab er pausenlos Befehle an das Gerät und nannte ihm entsprechende Koordinaten.
Darauf angesprochen, warum Lingam Tennar das Aufspüren von Raumzeitfalten nicht ausschließlich Varonzem .überließ, der immerhin als Nakk einen natürlichen 5-D-Sinn besaß, antwortete Lingam Tennar nur: „Eben weil Varonzem ein Nakk ist."
Varonzem reagierte darauf überhaupt nicht. Der Nakk hatte von sich aus noch kein einziges Mal das Wort ergriffen und nur einsübig geantwortet, wenn er von dem Haluter angesprochen worden war. „Nehmen wir diesen Weg", sagte Theodora und wollte in eine Seitenstraße einbiegen. „Nein", erklärte Varonzem unverhofft und behielt die ursprüngliche Richtung bei. „Aber das bringt dpch nichts", sagte Theodora. „Wenn wir auf der Hauptstraße bleiben, bekommen wir nie Kontakt mit den Aristos. Sie sind sehr scheu."
„Ich folge Varpnzem", sagte Lingam Tennar. „Auf seine Sinne ist Verlaß."
Benno war es egal, ob und wie viele Raumzeitfalten es in Lokvorth-Therm gab; mit solchen 5-D-Gebilden konnte er sowieso nichts anfangen. Er brauchte Kontaktpersonen. In plötzlicher Entschlossenheit kehrte er den Befehlshaber hervor. „Lingam Tennar! Varonzem!" rief er den beiden ungleichen Partnern nach. „Ich befehle euch, mir zu gehorchen. Wir nehmen den Weg, den Theodora uns weist."
Der Haluter blieb stehen und drehte sich langsam um. Einen bangen Augenblick lang durfte Benno hoffen, daß Lingam Tennar sich ihm beugte, doch dessen folgendes donnerndes Gelächter machte diese vage Hoffnung zunichte. Der urgewaltige Heiterkeitsausbruch des Haluters machte selbst auf die sonst so coolen Lokvorther Eindruck, sie flohen panikartig.
Aus der dunklen Seitenstraße rief Theodora: „Ich kann einen fernen Wortwechsel hören. Es klingt, als streiten Artista und Aristos miteinander. Da sind wir richtig. Komm schon, Benno."
Benno wußte nicht, was er tun sollte. Er wußte schließlich keinen anderen Ausweg, als Verbindung mit der Operationsbasis aufzunehmen und sich von Loydel Shvartz Instruktionen geben zu lassen. „Vertraue du der Nase des Mädchens, Stift, und laß Lingam Tennar seines Weges ziehen", riet ihm Loydel. „Mach nur keine Dummheiten. Guilar möchte dich wohlbehalten zurückhaben. Und bleibe mit uns in Verbindung."
Loydel unterbrach das Gespräch, ohne auf eine Antwort zu warten.
Obwohl er hätte erleichtert sein sollen, gefiel Benno die Vorstellung auf einmal nicht, den Weg ohne den Schutz eines Haluters fortsetzen zu müssen. Dennoch winkte er Lingam Tennar freundlich zum Abschied, und der Haluter winkte mit allen vier Armen zurück. Die Lokvorther hatten sich wieder
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