1485 - Er spielte auf zum Höllentanz
kaum zu hören.
Hin und wieder trank ich einen Schluck. Manchmal glitt mein Blick auch erwartungsvoll zu den beiden Fenstern, gegen die sich die Dunkelheit drückte, als würde Glenda plötzlich wie ein Engel durch das geschlossene Fenster in ihre Wohnung schweben, um sich dort zu materialisieren.
Ich wusste nicht einmal, ob das möglich war. Durch Wände hatte ich sie noch nicht gehen sehen. In ihr steckte auch keine dämonische Kraft, sondern die eines Serums, das ein Wissenschaftler erfunden hatte und das dann in die Hände des Hypnotiseurs Saladin gelangt war, der es für seine Zwecke missbraucht hatte.
Glenda hatte die Vision erlebt. Aus welchen Gründen auch immer.
Ich wünschte ihr, dass sie ihr Ziel erreichte, und ich wünschte ihr ebenso, dass sie gesund zu mir zurückkehrte und einen Bericht erstattete.
Noch musste ich warten. Wieder tropfte die Zeit dahin. Ich hatte das Gefühl, ein Gefangener zu sein, eingeschlossen in diesen vier Wänden. Okay, ich konnte raus, aber weitergebracht hätte mich das auch nicht. Und so wartete ich.
Es geschah plötzlich und für mich überraschend. Das Flimmern kannte ich. Zwischen den beiden Fenstern war es zu sehen, und Glenda trat aus dem Nichts hervor.
Ich holte tief Luft. Es freute mich, sie wieder normal zu sehen. Auf ihrer Reise war ihr nichts angetan worden. Sie wirkte nur ein wenig blass um die Nase herum und schwankte leicht. Nach einer Sekunde hatte sie sich gefangen und schaute mich an.
Ich nickte ihr zu.
»Da bin ich wieder.« Mehr sagte sie zunächst nicht. Glenda ließ sich in ihren Sessel fallen und streckte die Beine aus. Im Glas befand sich noch Wasser. Sie trank es leer. Danach stellte sie es ab und schaute in meine Richtung.
Ich steckte voller Spannung, was ich mir nicht anmerken ließ. Ich hielt mich etwas zurück, weil ich Glenda nicht drängen wollte. Aber sie sagte: »Du kannst ruhig deine Fragen stellen, John.«
»Danke. Wo bist du gewesen?«
Glenda musste nicht lange nachdenken. »In einer Wohnung«, erklärte sie. »Und sie war mir fremd.«
»Wen hast du gesehen?«
»Einen jungen Mann. Ich sah eine Geige. Der junge Mann ist wohl Musiker.«
»Und er hat dich gesehen?«
»Sicher.«
»Wie hat er reagiert?«
Glenda hob die Schultern. »Das kann ich dir nicht sagen, John. Ich glaube, er hat einen Schock bekommen, als er mich so plötzlich in seiner Wohnung sah. Ich habe das alles auch nur wie in einer Momentaufnahme erlebt. Ich konnte nicht länger an diesem Ort verweilen. Dann musste ich wieder zurück.«
»Also keine Fragen?«
»So ist es.«
Ich verzog das Gesicht. »Hast du denn irgendeinen Hinweis auf den Musiker bekommen?«
Da lächelte Glenda. »Ich denke schon. Ich weiß, dass er Geige spielt, ich kann ihn beschreiben, und ich gehe mal davon aus, dass wir es nicht mit einem Solisten zu tun haben.«
»Du meinst, er spielt in einem Orchester?«
»Das denke ich.«
»Nicht schlecht.« Ich lächelte und schüttelte zugleich den Kopf.
»Ich denke soeben daran, dass es in unserer Stadt so einige klassische Orchester gibt. Sicherlich spielt er nicht bei den Symphonikern, und all die anderen Orchester zu finden, die kleinen, die mittleren und die großen, das ist…«
»Kein Problem im Internet. Da hat jedes Orchester seinen Auftritt oder seine Seite.«
»Gut.«
»Wie lange hast du Zeit?«
Ich hob die Schultern. »So lange, wie es nötig ist, Glenda.«
»Dann sollten wir uns an die Arbeit machen.«
»Okay.«
Glenda ging schon vor. Der Computer, das wusste ich, stand in ihrem Schlafzimmer. Da Glenda nur ein Bett brauchte, war der Raum groß genug für den kleinen Schreibtisch.
Ich holte mir einen zweiten Stuhl und setzte mich neben Glenda, die den PC einschaltete. Es dauerte etwas, und sie schaute mich von der Seite her lächelnd an.
»Das klappt schon, John, ich habe ein gutes Gefühl.«
»Wenn du das sagst. Aber was war mit dieser schrillen Musik in deinem Kopf?«
»Ich habe sie nicht mehr gehört, John. Sie war verschwunden, aber ich habe die Geige gesehen, und die schrecklichen Töne, die ich hörte, wurden von diesem Instrument produziert.«
»Das der junge Mann spielt.«
»Davon gehe ich aus.«
»Aber hat er auch für deine Qualen gesorgt?«
»Wenn ich das wüsste, ginge es mir besser. Zudem interessiert mich auch sein Name.« Sie deutete auf den Schirm. »Aber den bekommen wir schon noch heraus.«
Es begann die große Suche. Die Orchester, die es in London gab, waren tatsächlich aufgelistet. Man konnte ein
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