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1486 - Im Tempel der Furcht

1486 - Im Tempel der Furcht

Titel: 1486 - Im Tempel der Furcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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selbst nicht zeigte.
    Es geschah nichts. Auch nicht, nachdem ich zwei, drei Minuten gewartet hatte, und so gab ich mir einen Ruck und stand auf.
    In Rosy Kellers Augen lag wieder dieser ungewöhnliche fiebrige Ausdruck, mit dem sie mich betrachtete. Ich konnte ihn nicht richtig einordnen. Sie atmete sogar recht heftig und flüsterte:
    »Haben Sie ihn gespürt, Mr. Sinclair? Haben Sie seine Anwesenheit erlebt?«
    »Das kann sein.«
    »Ja, ja, so ist es.«
    Ich wunderte mich über ihr Verhalten. Hatte sie mir nicht erklärt, dass sie sich vor Angst verkrochen hätte? Das war für mich schwer zu glauben, denn jetzt sah sie aus wie jemand, der ungeheuer neugierig auf diese unheimliche Person war.
    »Und Sie, Mrs. Keller?«
    Die Archäologin lächelte. »Na ja, ich glaube schon, dass der Stuhl etwas ist, das mit dem Duke in einem unmittelbaren Zusammenhang steht. Ein sehr persönliches Stück, an dem er stark gehangen hat. Für ihn war es nicht nur ein Stuhl, sondern schon ein Thron, und so etwas ist ja etwas ganz Besonderes.«
    Da widersprach ich nicht. Aber ich gab auch zu, dass ich mit ihrer Aussage meine Probleme hatte. Es war schon überraschend für mich, mit welch einer Begeisterung sie von dem Serienmörder sprach.
    »Warum schauen Sie mich so an, Mr. Sinclair?« Sie lächelte kokett.
    »Gefalle ich Ihnen so gut?«
    Was sollte ich darauf erwidern? Mir fiel schnell etwas ein. Ich hoffte, dass es das Richtige war.
    »Abgesehen davon, dass Sie eine attraktive Frau sind, Mrs. Keller, so wundere ich mich schon über Ihr Verhalten.«
    »Ach.« Sie staunte. »Was mache ich denn falsch?«
    »Vielleicht nichts. Mir fällt nur auf, dass Sie keine Angst mehr haben, wo Sie doch so ängstlich waren. Ich erinnere mich noch gut daran, als Sie in meinem Büro saßen.«
    »Das ist wohl wahr.«
    »Und jetzt?«
    Sie hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, Mr. Sinclair. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich habe schon darüber nachgedacht, da bin ich ehrlich.«
    »Wie schön. Und was ist dabei herausgekommen?«
    »Ein Zwiespalt!«
    »Können Sie mir ihn genauer erklären?«
    »Ja, schon.« Sie trat etwas zur Seite. »Würden Sie mir recht geben, wenn ich Ihnen sage, dass das Böse auch eine faszinierende Seite in sich trägt?«
    »Auf jeden Fall. Das war schon immer so. Menschen werden von dem Bösen abgestoßen und zugleich angezogen. Das müsste Ihnen als Historikerin bekannt sein.«
    »Ist es auch, und ich sage Ihnen, dass mir das Gleiche hier passiert ist. Dieser Mensch, der längst tot ist, der zieht mich an und stößt mich zugleich ab.«
    »Und weiter?«
    »Ich weiß es nicht. Wenn ich hier bin, verspüre ich eine gewisse Faszination. Halte ich mich in meiner normalen Wohnung auf, dann spüre ich nur Furcht. Sie ist wie eine Bedrohung. Sie nagelt mich regelrecht fest, das müssen Sie mir glauben.«
    »Und was noch?«
    »Kann ich Ihnen nicht sagen. Bin ich hier, dann ist alles anders. Dann fühle ich, dass er in meiner Nähe ist. Dann bin ich wild darauf, ihn zu sehen, und ich habe das Gefühl, dass er es umgekehrt auch ist und an mich heran will. Dieser Ort, an dem wir stehen, Mr. Sinclair, ist ein besonderer Fleck. Ich glaube fast, dass es sich um einen Treffpunkt handelt. Eine andere Erklärung dafür habe ich nicht. Ich nehme es einfach hin und habe zugleich Angst.«
    »Weshalb Sie sich an mich gewandt haben.«
    »Ja, Mr. Sinclair. Ich wollte nicht allein sein und jemanden dabei haben, wenn es eintritt.«
    »Wenn was eintritt?«
    »Sein Erscheinen.« Sie nickte heftig. »Ja, ich glaube fest daran. Er wird kommen, und sagen Sie nicht, dass er schon tot ist. Dann hätte sich der Polizist auch geirrt.«
    »Das sage ich auch nicht. Aber ich mache mir trotzdem Gedanken über Ihr Verhalten.«
    »Warum denn?«
    »Weil es nicht natürlich ist. Sie haben Angst und wollen ihm trotzdem begegnen. Ich bin gespannt, wie Sie sich aus diesem Zwiespalt wieder befreien wollen.«
    »Deshalb habe ich Sie ja gebeten, zu mir zu kommen. Ich will einfach nicht allein sein.«
    »Und nun warten wir auf ihn?«
    »Ja. Ich rechne damit, dass er sich seinen Stuhl zurückholen will. Wer auf ihm sitzt, hat das Gefühl, in seiner Nähe zu sein. So ist es ihnen doch auch ergangen – oder?«
    »Ja, es war schon etwas anders.«
    »Gut.« Rosy Keller strich mit ihren Händen an den Hüften entlang. »Dann warten wir auf den Toten, der lebt.«
    »Wo könnte er jetzt sein?«
    »Nahe, Mr. Sinclair, sehr nahe. Hier ist seine Welt. Hier befindet sich sein

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