1487 - Die Dämonen-Prinzessin
enden können. Doch wer genau hinhörte, der musste sich eingestehen, dass es wohl damit erst begann.
»Das ist ja Gerrit!« rief ein Mädchen aus der ersten Reihe und streckte seinen linken Arm nach vorn. »Ja, so hast du ihn beschrieben. Das ist Gerrit!«
Der Ruf blieb nicht unbeantwortet. Andere Kinder meldeten sich.
Sie wollten, dass Gerrit zu ihnen kam, doch er kümmerte sich nicht darum. Er ging auf die Prinzessin zu und blieb dann vor ihr stehen.
Sie griff nach ihm, spreizte im Sitzen die Beine und stellte den Jungen in die Lücke. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und hatte ihn so gedreht, dass er die Zuschauer anschaute.
»Schaut ihn an, meine kleinen Freunde. Ich habe euch das Märchen von Gerrit erzählt, und jetzt seht ihr, dass es kein Märchen ist, denn Gerrit gibt es wirklich. Er hat den Weg zu mir gefunden, denn er weiß genau, wo er sich wohl fühlt. Er ist so wunderbar. Und er ist etwas ganz Besonderes. Er kann sich in den Märchen ebenso bewegen wie in der normalen Welt, in der ihr lebt. Er ist ein kleines Wunder. Ich weiß, dass sich viele Kinder wünschen, mal in einem Märchen zu sein, sich dort zu bewegen, wo sie sich hingeträumt haben. Ich weiß es, dass viele kurz vor dem Einschlafen von den Märchengestalten träumen, dass sie einmal Frau Holle sein wollen, die ihre Betten ausschüttelt, oder auch die vornehme Prinzessin auf der Erbse. All die Wünsche kenne ich, und jetzt bin ich erschienen, um sie euch zu erfüllen. Ist das nicht wunderbar?«
Die Kinder waren zu überrascht, um eine Antwort geben zu können. Die Erwachsenen nicht. Sie gaben ihre Kommentare ab. »Die spinnt.«
»Das wird ja immer schlimmer.«
»Die kommt aus dem Irrenhaus.«
»Ja, die ist gefährlich, und wir sollten unsere Kinder vor ihr schützen.«
»Ich weiß nicht, wer dieser Gerrit ist, aber besonders glücklich sieht er nicht aus. Er findet sich in dieser Welt nicht zurecht. Es ist nicht mehr die seine, und so etwas kann man einem Kind einfach nicht antun. Das tut mir leid.«
»Was willst du denn tun, Judy?«
»Das kann ich dir sagen. Ich werde meine beiden Kinder dort wegholen. Und wir sollten es gemeinsam tun. Wenn wir zusammen aufstehen und zu unseren Kindern gehen, wird diese Person dort keine Gelegenheit mehr haben, ihr Spiel weiterhin durchzuführen. Ich weiß mittlerweile nicht mehr, ob ich es mit einem normalen Menschen zu tun habe oder dort eine Gestalt sitzt, die es gar nicht geben kann. Eine Dämonin. Dabei bleibt mir das Lachen im Hals stecken.«
Judy Peters spürte, dass sie die anderen Mütter erst noch überzeugen musste. Sie waren nicht so forsch, die gehörten zu denen, die nicht über ihren Schatten springen konnten.
»He, entscheidet euch!«
Die Entscheidung fiel woanders, denn Ophelia meldete sich wieder zu Wort. Sie wandte sich direkt an die Kinder und rief ihnen zu:
»Wer liebt die Märchen so, dass er sie nicht vergessen kann?«
Alle Arme reckten sich in die Höhe.
»Das ist sehr schön. Darüber freue ich mich, und deshalb möchte ich euch auch einen Gefallen erweisen. Ihr alle seid eingeladen, zu mir zu kommen. Kommt her, kommt in die Welt der Märchen und erlebt sie. Gerrit war der Erste. Warum soll er allein bleiben? Er möchte gern Freunde haben, und die könnt ihr sein. Gerrit wartet auf euch. Steht auf und tretet ein in die Welt der Märchen, die es auch in der Wirklichkeit gibt. Wer weiß, welche Türen sich noch für euch öffnen werden…«
Die Worte faszinierten die jungen Zuhörer. Aber sie taten noch nichts. Ganz im Gegensatz zu Judy Peters. Die Frau, die einen hellblauen Jeansanzug trug und ein rotes Tuch in ihr blondes Haar gebunden hatten, sprang mit einer schnellen Bewegung von ihrem Stuhl hoch.
»Was zu viel ist, ist zu viel!« schrie sie der Dämonen-Prinzessin entgegen. »Es reicht, was Sie hier angerichtet haben! Die Kinder sind völlig durcheinander. Das sind keine Märchen mehr, das hier ist ein verdammter Horror und nichts anderes!«
Die Frau blieb auch nicht mehr auf ihrem Platz stehen. Der Worte waren für sie genug gewechselt worden, hier mussten endlich Taten folgen, und damit wollte sie anfangen.
Mit schnellen Schritten hastete sie auf die kleine Bühne zu. Ihr Blick war starr nach vorn gerichtet. Bei jeder Bewegung schnaufte sie durch die Nase, und sie schaute weder nach rechts noch nach links. Dabei sah sie auch ihre Kinder nicht. Sie fühlte sich fast wie eine Rächerin, die endlich ihr Vorhaben in die Tat umsetzen konnte.
Es war
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