1487 - Die Dämonen-Prinzessin
langweilig wurde.
Aber das wurde es offenbar nicht.
Sie sagten nichts. Sie blieben still – wie auch die Mütter. Sie konzentrierten sich auf die kleine Bühne, wo die angebliche Prinzessin das Kommando übernommen hatte.
Ich wagte mich einen weiteren Schritt vor. Dann drückte ich behutsam die Tür hinter mir zu. Mein erstes Schauen hatte nur wenige Sekunden gedauert, in denen nichts passiert war.
Das änderte sich nun.
Das Mädchen auf der Bühne stellte eine Frage. Zwar nicht mit zu lauter Stimme, aber ich hörte die Worte trotzdem.
»Wo sind wir hier, Mummy?«
Nicht die Mutter gab die Antwort. Es meldete sich die Prinzessin.
»Wir stehen hier am Anfang der Märchenwelt.«
Jeder musste die Worte gehört haben, aber niemand reagierte. Die Zuhörer blieben weiterhin stumm. Ihre Blicke galten einzig und allein der Bühne, auf der Ophelia das Sagen hatte, obwohl sie selbst so gut wie nichts tat, abgesehen von der Antwort. Aber von ihr ging eben die Autorität aus, der die anderen sich beugten.
Ich war im Begriff gewesen, auf die Bühne zuzulaufen, doch ich hielt mich zurück. Erstens wollte ich nicht stören, und zum Zweiten passierte nichts Aufregendes. Es gab keine sichtbare Gefahr, obwohl die Wärme des Kreuzes auf meiner Brust blieb.
Das Mädchen fragte weiter: »Was ist das, eine Märchenwelt?«
»Schau dich um, du bist schon mitten drin, meine Kleine.«
»Ich heiße Karen.«
»Ein schöner Name.«
»Und mein Bruder heißt Kevin.«
»Auch schön.«
»Meine Mum hat gesagt, dass wir die Märchen von dir hören. Du hast uns aber nicht viel erzählt.«
Ophelia deutete auf Gerrit. »Er hat bereits erlebt, was es heißt, in meiner Nähe zu sein. Er konnte es nicht erwarten, mich kennen zu lernen. Ihm habe ich den Weg gezeigt. Und ich habe euch geholt, um ihn euch ebenfalls zu zeigen.«
»Willst du uns mitnehmen?«
»Ja, das sagte ich. Ich habe euch gesammelt. Ich werde euch in die Welt der Märchen hineinführen. In eine Welt, in der sie wahr geworden oder geboren sind. Ihr sollt mit eigenen Augen erkennen, was es mit ihnen auf sich hat. Kommt mit mir in die Welt der Märchen hinein, und so erlebt ihr sie dann am eigenen Leib.«
Es waren Worte, die keinem gefallen konnten. Einschließlich meiner Person. Um mich ging es hier allerdings nicht. Ich wunderte mich über die anwesenden Mütter, die nicht protestierten oder etwas anderes unternahmen. Sie saßen auf ihren Plätzen und wirkten lethargisch, als gäbe es nichts mehr auf der Welt, was sie noch interessierte. Genau damit hatte ich Probleme, denn es gab für mich nur eine Erklärung. Diese Frauen standen unter einem fremden Einfluss.
Es konnte sein, dass ihnen der freie Wille genommen war, und der dämonischen Prinzessin traute ich alles zu.
»Wie ist die Welt denn?« fragte Kevin. »Kann man sie sehen?«
»Ja, mein kleiner Freund. Ihr müsst euch nur umschauen, dann seht ihr es. Schaut euch die Gesichter an und die Gestalten. Sind sie nicht Wesen aus einer Märchenwelt?«
»Sie machen mir Angst.«
Ophelia kicherte, und es hörte sich nicht eben freundlich an. »Märchen sind nicht nur nett. Es gibt auch sehr böse unter ihnen. Das dürft ihr nicht vergessen, und ich liebe die bösen Märchen. Ich bin die Prinzessin, aber ich bin auch Schneewittchens böse Stiefmutter. Die kennt ihr doch – oder?«
Die Geschwister nickten. Ihre Mutter verstand nichts, und auch Gerrit reagierte nicht. Er hatte bereits alles hinter sich und war einen bestimmten Weg gegangen, aber es stellte sich die Frage, wohin der weitere Weg führen würde.
Ophelia wollte die Kinder. Aber wollte sie ihnen nur die Märchenwelt zeigen oder sie für immer verschwinden lassen?
Ich tippte auf die letztere Möglichkeit. Sie sollten verschwinden, integriert werden in eine böse Welt, in der sie vergingen und ihr junges Leben aushauchten.
Rücksicht auf Kinder wurde in den Märchen nicht genommen. Da brauchte ich nur an die Geschichte von Hänsel und Gretel zu denken, die beide in einem Backofen ihr Leben aushauchen sollten, um von der Hexe verspeist zu werden.
Es war nur ein Beispiel von vielen, was mit Kindern geschehen konnte. Eingetroffen war es noch nicht, sonst hätte sich Gerrit Quinn nicht so normal verhalten.
Ihn hatte sich die Prinzessin auf ihre Seite geholt. Bevor sie selbst mit den Kindern Kontakt aufnahm, sprach sie in den Raum hinein.
»Bitte, meine Freunde, wendet euch an Gerrit. Er wird euch sagen können, wie es an meiner Seite war. Er ist bereits mit
Weitere Kostenlose Bücher