1490 - Endstation Sol
Anlaß war irgendeine 700-Jahrfeier, wie Daarshol nebenbei erfuhr. Doch die besonderen Umstände erforderten es, die Produktion der „Octos" voranzutreiben.
Es handelte sich nämlich um Supermutanten mit überragenden parapsychischen Talenten. Sie waren „Zünder" mit der Fähigkeit, die Zellen jeglicher Lebewesen zur Explosion zu bringen, und einer weiteren, die sie womöglich noch gefährlicher machte: Sie waren imstande, über große Entfernungen hinweg Einfluß auf die Gehirne von Intelligenzwesen zu nehmen und sie mit Wahnsinnsimpulen physisch zu zerstören.
Ihr Schöpfer war der cantarische Genetiker Peeroush, der im Rang eines Strategen stand und demnach gute Chancen hatte, ins Supremkommando aufzusteigen. Daarshol merkte sich diesen Namen vor und informierte sich detailliert über den Gentechniker. Die Personaldaten Peeroushs waren beeindruckend: Er war der Chef der Klon-Fabrik auf Aptulat, dem 4. Planeten der Sonne Aptut. Dies war das Heimatsystem der sogenannten Antimutanten, die lange vor dem System die Geschichte dieser Galaxis mitgeprägt hatten.
Peeroush konnte also auf gutes Genmaterial zurückgreifen. Dennoch war es sein persönlicher Verdienst, daß aus den „Octos" Mutanten mit solch beeindruckenden Fähigkeiten geworden waren. Und nicht zu vergessen: dies schon zweieinhalb Jahre vor dem Termin!
Noch interessanter als seine Karriere war für Daarshol jedoch Peeroushs Cybogramm. Der Gentechniker war nämlich ein 43er! Das bedeutete, daß er seinen Körper mit nicht weniger als 43 Modulen verstärkt hatte. Allein in seinem Schädel trug er 19 davon; sie ermöglichten ihm das Sehen und Hören im Infrarot-, beziehungsweise im Ultraschallbereich und hyperenergetisches Orten, Senden und Empfangen.
Insgesamt, so stellte Daarshol fest, waren seine Modulsinne denen der Nakken nachempfünden.
Das waren recht brauchbare und nicht zu verachtende Zusatzsinne.
Peeroush benötigte in keiner Lebenslage irgendwelche zusätzlichen Erhaltungs- oder Schutzsysteme, denn sein Körper trug alle benötigten Module in sich. Zu diesem aus 22 Teilen bestehenden Modulverbund gehörten ein Recycling-System, Gravo-Pak und eine umfangreiche Medo-Sektion, die seinen Körperhaushalt syntrongesteuert regelte.
Die hellbeige Kombination trug er eigentlich nur zur Zierde.
Den ersten Kontakt mit Peeroush hatte Daarshol anfangs Dezember '46 per Bildsprechfunk, kurz bevor die „Octos" in den Einsatz geschickt werden sollten. „Wie beurteüt das Supremkommando den Oktober-Stamm der Baalol-700-Klone?" erkundigte sich Peeroush. „Ich will der Beurteilung nicht vor.greifen, aber eine Belobigung für deine Leistung ist dir sicher, Peeroush", antwortete Daarshol getreu der Vorschrift. „Dann war unsere Arbeit von Effolg gekrönt", sagte Peeroush erleichtert. „Ilmarem wird sich über diese Nachricht freuen."
„Wer ist Ilmarem?" fragte Daarshol mißtrauisch. „Mein Ara-Assistent."
„Er darf die Wahrheit nicht erfahren", sagte Daarshol streng. „Wir werden die Testergebnisse fälschen und die Octos als Gen-Müll in den Bereich zwischen den Wällen schicken."
„Wieso das? War nun alle unsere Arbeit umsonst?" fragte Peeroush enttäuscht.
Daarshol hätte sich auf seine Position berufen und Peeroush zu absolutem Gehorsam ermahnen können. Doch da er auch in Zukunft mit Peeroush zu tun haben würde und er vielleicht mal die Dienste eines Gentechnikers beanspruchen könnte, ließ er sich zu einer Erklärung herbei. „Ich kann dir im Vertrauen verraten, daß deine Octos einer ganz besonderen Verwendung zugeführt werden", sagte Daarshol. Er brauchte nicht extra zu erwähnen, daß Peeroush seinem Ara-Assistenten nichts davon verraten durfte. Denn wie gut das Arbeitsklima zwischen den beiden auch sein mochte, zu einer Fraternisierung zwischen einem cantarischen Strategen und einem Ara-Mediziner würde es nie kommen.
Daarshol fügte noch hinzu: „Und ich kann dir auch verraten, daß du in der großen Stunde deiner Klone an ihrer Seite sein wirst."
Es stand längst schon fest, daß Peeroush seine Baalol-Klone als Kommandant eines eigenen Schiffes in den Zwischenbereich begleiten und im Fall eines Kampfes anführen würde. Das hatte Ager Catomen beschlossen. Doch das behielt Daarshol für sich. Allein durch seinen vertraulichen Hinweis setzte er sich der Gefahr einer Maßregelung aus. „Ich danke dir für dein Vertrauen", sagte Peeroush demütig. „Ich hoffe, ich kann mich eines Tages dankbar erweisen."
Das will ich auch
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