1491 - Im Schloss der Hexen
schwacher Wort ein schwacher Hall zurückgeblieben. Der Raum war sehr groß. Ein richtiges Ende war nicht zu sehen. Da verschwammen die Wände in einer grauen Finsternis.
Glenda übernahm die Initiative. »Ich schaue mir mal ein Kind aus der Nähe an«, murmelte sie. So etwas wie Angst lag in ihren Blicken. »Ich hoffe nicht, dass sie tot sind.«
»Gib trotzdem acht.«
»Keine Sorge.«
Die Stille in der großen Halle blieb bestehen. Aus keiner Richtung hörten sie ein Geräusch. In einem Sarg hätte es nicht stiller sein können. Glenda Perkins setzte ihre Schritte so leise wie möglich. Als sie näher an das Feuer herankam, wurde sie von dessen Widerschein erfasst. Ihr Gesicht bekam einen grünlichen Schimmer.
Elf Kinder!
Auch elf Opfer für die Hexe?
Mir kam der Gedanke, als ich die Jungen und Mädchen so sitzen sah. Für eine Gestalt wie Radmilla spielte die Entfernung keine Rolle. Das hatten auch wir erleben müssen. So rechnete ich damit, dass sie sich die Kinder nicht nur in Europa geholt hatte, sondern auch von anderen Erdteilen.
Als hätte Glenda den gleichen Gedanken gehabt wie ich, suchte sie sich zuerst ein japanisches Kind aus. Es war ein Junge mit einem Struwwelkopf. Er trug einen roten Pullover und eine schwarze Hose. Wie die anderen zehn Kinder auch saß er auf der Erde und schaute ins Leere.
Ich ließ meine Blicke ununterbrochen wandern, weil ich jeden Moment damit rechnete, dass die Hexe erscheinen würde. Es war ihr Schloss, sie wohnte hier. Da Fremde eingedrungen waren, musste sie einfach reagieren.
Bisher tat sie nichts. Möglicherweise wartete sie auf eine Gelegenheit, die noch günstiger war. Natürlich aus ihrer Sicht gesehen.
Ich war froh, Glenda an meiner Seite zu haben. Ohne ihre Hilfe hätte ich dieses Schloss nie gefunden. Es war gut, dass sie sich nicht nur an ihre besonderen Fähigkeiten gewöhnt hatte, sondern auch bereit war, sie einzusetzen, wenn es vonnöten und es ihr möglich war.
In diesem Fall hatte es geklappt. Wegen des Rückwegs machte ich mir ebenfalls keine Sorgen. Der würde so locker verlaufen wie der Hinweg, das stand fest.
Glenda hielt sich noch immer neben dem Jungen auf, der nicht reagierte und steif wie eine Puppe da saß. Die Umgebung und was um ihn herum passierte, interessierte ihn nicht, und das war auch bei den anderen Kindern der Fall.
Glenda beugte sich noch tiefer. Sie hatte vor, den Jungen anzusprechen, und brachte ihre Lippen in die Nähe seines rechten Ohrs.
Was sie sagte, war natürlich nicht zu hören.
Das Kind reagierte nicht. Es blieb steif sitzen, zuckte nicht einmal zusammen und reagierte auch beim zweiten Ansprechen so.
Glenda schaute, zu mir hin und hob die Schultern.
»Versuche es noch mal!«
»Okay.«
Diesmal redete sie nicht nur, sie strich auch mit der flachen Hand über den Kopf des Jungen hinweg. Er hätte jetzt eine Reaktion zeigen müssen, aber er enttäuschte uns wieder, denn er tat nichts.
»Es hat keinen Sinn, John. Sie stehen unter einem Bann. Mir scheint es fast, als hätte Saladin seine Hände mit im Spiel. Der Panzer ist nicht zu durchbrechen.«
Sie stellte sich wieder außerhalb des Kreises und überließ mir die nächste Entscheidung. Hier war guter Rat wirklich teuer, und ich wusste auch nicht, was ich noch tun konnte.
Das Feuer brannte weiter. Ohne Rauch und ohne Hitze. Es gab auch keinen Geruch ab, aber es musste für die Hexe wichtig sein, warum sonst brannte es hier?
Bisher schienen wir ihre Kreise nicht richtig gestört zu haben, sonst hätte sie schon etwas unternommen. Aber irgendwie mussten wir sie aus der Reserve locken, und das würde auch klappen, da brauchte ich nur an mein Kreuz zu denken.
Wenn Frauen sich der Hölle und dem Teufel zuwandten und sich als Hexen bezeichneten, dann hassten sie all die Dinge, die auch dem Teufel zuwider waren.
An erster Stelle stand da das Kreuz!
Damit war die Hölle überwunden worden, und das hatte die andere Seite nicht vergessen. Das würde sie auch nie vergessen, bis zum Ende aller Zeiten.
Ich war der Träger des Kreuzes, das der Prophet Hesekiel in der babylonischen Gefangenschaft seines Volkes in weiser Voraussicht geschmiedet hatte. Das lag mehr als zweitausend Jahre zurück, und so war das Kreuz im Laufe der Zeiten auf Wanderschaft gegangen, bis es dann in meinen Besitz gelangt war und ich als sein Träger als Sohn des Lichts angesehen wurde.
Es konnte mich nicht immer retten oder mir nicht immer weiterhelfen, aber es war ein verlässlicher Partner,
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