1492 - Das dunkle Netz
Alara öffnete die Tür und zog ihn hinter sich her.
Rhodan blieb unschlüssig im Eingang stehen. Er sah sich zehn Männern und Frauen gegenüber, die mit seinem Eintreten jede Tätigkeit einstellten. Die Leute -saßen an der Längsseite einer Tafel. Auf der Platte lagen syntronische Winzbausteine in unüberschaubarer Menge. „Guten Tag", grüßte Rhodan vorsichtig.
Die anderen schwiegen. Ihre Kleidung unterschied sich nicht von der der Traumjäger - sie bestand aus Resten von Kampfanzügen. Ein paar der Gesichter schauten mißtrauisch, andere freundlich. Viele Narbep, dachte er. Viele Kämpfe. Gefahr.
Alara stellte sich neben ihn. „Das ist Rhodan", erklärte sie. „Chinnvi hatte recht. Er ist interessant für uns. Könnte jedenfalls sein."
Eine der Personen stand auf. Es war eine grauhaarige, altersgebeugte Frau, mit schweren Tränensäcken und schlohweißen Brauen. Ihre Augen jedoch bewegten sich flink. In den Zügen lag eine Art Verschlagenheit - und Intelligenz. „Ich bin Zamoo. Die Anführerin der Traumhelfer von Terrania. Setz dich." Sie wedelte ungeduldig mit den Armen. „Los, los, setz dich. Ja, nun. Komm. Niemand reißt dir den Kopf ab." Sie kicherte. „Jedenfalls nicht ohne Grund, ah?"
Alara erklärte: „Er hat Traumindex zweiundachtzig."
Alle Blicke fixierten ihn. Die Leute betrachteten ihn wie ein seltenes Tier; oder wie einen glitzernden Goldschatz, den man nicht berühren durfte, weil er verstrahlt war. „Zweiundachtzig ist unmöglich", sagte einer der Männer am Tisch. „Es ist möglich. Ich habe das überprüft. Deshalb hat ein Traumjäger ihn aufgeweckt, bevor er selbst aufwachen konnte. Der Jäger wollte ihm einen Kontrakt aufzwingen."
„Die übliche Methode, ah?" nuschelte Zamoo. „Und wie ist er rausgekommen?"
„Kidbots", gab Alara zurück. „Die Bande von Chinnvi und Bliss."
„Logisch." Die Alte sah ihn zweifelnd an. „Unglaublicher Index. Würdest einen guten Traumhelfer abgeben."
Das war der Punkt. Rhodan musterte der Reihe nach die anwesenden Personen; in ihren Blicken lag Erwartung. Er wußte zwar nicht, ob dieser Index ihm nutzen konnte. Aber er sah, daß die Traumhelfer davon überzeugt waren.
Das war sein Publikum. Seine Show.
Mit einem Mal war er nicht mehr Rhodan, der Verfolgte, er war ein Führer mit Charisma und Überzeugungskraft. „Vielleicht bin ich bereit, euch zu helfen", begann er. „Ich 'hatte mit einem Traumjäger zu tun. Die Begegnung war nicht erfreulich. Dann habe ich den Electric Bazaar gesehen, und ich war schockiert. Und Terrania. Die Stadt ist eine Todeszone, die Träumer sind lebendige Tote ..."
„Korrekt", fiel ihm Alara ins Wort. „Soll weiterreden, ah?" rügte Zamoo die Frau. „Los, Rhodan!"
„Mir fehlt der große Zusammenhang. Wer sind die Traumjäger? Wer die Traumhelfer? Was ist mit den Kidbots? Und Simusense ... Gebt Antwort auf meine Fragen, dann denke ich darüber nach, ein Traumhelfer zu werden."
„Du kriegst die Fakten", nuschelte Zamoo. Ihre Stirn verzog sich zu einem Gewirr aus Runzeln und Falten. „Und du kriegst noch mehr. Wir geben dir einen Multitasker."
Rhodan faßte sich an den linken Arm. „Eine ... dieser Manschetten?"
„Genau. Sonst bist du eh wertlos. 'Schluß jetzt, Licht aus. Ich bin müde."
Niemand widersprach. Alara führte Rhodan in die Hütte nebenan und wies ihm einen schmalen Raum mit Bett zu. Er wartete noch, bis sie gegangen war: Dann legte er seinen SERUN und die Unterwäsche ab.
Es war spät.
*
Am nächsten Morgen weckte ihn Tageslicht aus der Fensterluke. Die Sonne schien. Alara holte ihn zum Frühstück ab. Sie schien ausgeruht zu sein, ihre Bewegungen wirkten frisch. NacheinanSer trafen die zehn Traumhelfer ein, die Rhodan gestern grob kennengelernt hatte. Der Reihe „nach wurden sie ihm mit Namen vorgestellt. Ansonsten lief das Frühstück ohne neue Erkenntnisse ab.
Nur Zamoo sagte. „Hab' mich entschieden. Alara ist deine Amme, solange du dich hier nicht auskennst.
Sie hilft dir. Zeigt dir alles."
Gemeinsam mit der Frau begab sich Rhodan nach draußen. Im Tageslicht erkannte er die Umgebung wesentlich besser. Der Platz zwischen den Hütten war eine frühere Wiese, doch nun hatten zu viele Füße den Boden plattgewalzt.
Fremde Leute liefen herum, etwa zwanzig unbekannte Gesichter. In ihren Mienen das Mißtrauen.
Verständlich, dachte er. Aus einem Fenster trafen ihn Blicke - dort kauerten versteckt zwei ziemlich junge Kinder. Zu jung für die Kidbots ... Rhodans Gesicht
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