1493 - Höllenschwur der Zwillinge
landen.«
»Kennst du die Namen der Günstlinge, die sich bei ihr die Belohung abholen durften?« fragte ich.
»Es waren immer die älteren Mädchen. Die beiden letzten Klassen.«
»Und die Namen?«
Elena hob die Schultern.
Ich gab nicht auf. »Du kennst wirklich keine?«
Sie winkte ab. »In der letzten Zeit ist wohl nichts mehr in dieser Richtung gelaufen. Die Boone kränkelte, und dann kam es ja zu diesem Schlaganfall, den viele ihr gegönnt haben. Außerdem ist sie früher aktiver gewesen, hat man mir gesagt.«
Elena saugte den letzten Rest der Flüssigkeit durch den Strohhalm.
Ich wartete, bis das Geräusch verklungen war.
»Gab es denn Schüler, die diese Frau besonders gehasst haben?«
»Bestimmt.«
»Namen?«
Elena schüttelte den Kopf. »Kann ich Ihnen nicht sagen.«
Das wollte Suko nicht so hinnehmen. »Bitte, versuch dich zu erinnern. Es ist wichtig.«
»Das war früher stärker als heute. Da bin ich noch ein Kind gewesen. Das habe ich nicht so mitbekommen. Mich hat man ja immer in Ruhe gelassen, und wenn Sie die Richtigen fragen, würde keine zugeben, dass sie etwas mit der Boone gehabt hat oder umgekehrt. Man macht neuerdings einen auf solide. Das kann sich auch wieder ändern, aber dann bin ich nicht mehr da. Ich sitze hier das letzte Jahr ab.«
Das Gespräch verlief nicht gut für uns. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass wir keinen Ansatzpunkt fanden, und mich beschäftigte bereits seit einiger Zeit ein bestimmter Gedanke, den ich jetzt aussprach.
»Elena, in dieser Schule werden nicht nur Mädchen unterrichtet. Was ist mit den Jungen?«
Sie schaute mich eine ganze Weile stumm an und sagte dann: »Da habe ich keine Ahnung.«
»Sind die nicht mal belohnt worden?«
»Weiß ich nicht.«
»Dann gab es für sie also keine Strafen?«
»Moment, das habe ich nicht gesagt.«
»Aha.«
»Auch die hatten ihre Probleme. Sie sind sicherlich geschlagen worden, nur eben nicht von Frauen, sondern von den Lehrern, wobei sich einer hervorgetan hat, der gar kein Lehrer war.«
»Was war er denn?«
»Hausmeister.«
»Oh…«
»Ja, Phil Cusack, der Hausmeister. Er hat ebenfalls kräftig mitgemischt. Ihm war es sogar egal, ob er einen Jungen oder ein Mädchen bestrafen konnte. Wichtig war bei ihm, dass er sie wimmern hören konnte.«
Leider gab es derartige kaputte Naturen, und ich ging darüber hinweg, um die nächste Frage zu stellen. Dabei schaute ich geradewegs in ihr Gesicht.
»Gibt es diesen Cusack noch?«
»Ja.«
»Wo?«
»Hier an der Schule.«
»Dann müsste er heute im Dienst sein.«
»Klar.«
Suko und ich schauten uns an. Hatte sich hier eine neue Spur ergeben? Es konnte durchaus sein.
»Wenn Sie wollen, können Sie ja zu ihm gehen, aber der wird alles abstreiten, und ich kann Ihnen auch nicht mehr sagen.«
Suko lächelte sie an. »Danke, Elena, du hast uns bestimmt weitergeholfen.«
Sie stand auf und sagte: »Hoffentlich bekomme ich jetzt keinen Ärger.«
»Ich glaube nicht. Sollte es anders sein, dann kannst du dich an uns wenden.«
Zum ersten Mal verschwand der Schatten aus ihrem Gesicht.
»Scheiße, ich traue euch tatsächlich zu, dass ihr das auch einhalten werdet.«
»Verlass dich drauf.«
Wir ließen sie gehen.
Sie hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, da musste es einfach aus mir heraus.
»In dieser verdammten Schule scheint es zu brodeln. Da gibt es nur die glatte Oberfläche, darunter aber muss sich ein Vulkan aus Emotionen gebildet haben.«
»Das denke ich auch.« Suko klatschte in die Hände. »Und jetzt hören wir uns mal an, was der nette Mr. Hill uns alles über einen gewissen Phil Cusack zu sagen hat…«
***
Phil Cusack war nicht mal überrascht, als er den Dolch in der Hand der jungen Frau sah. Eine lange Klinge ragte wie eine erstarrte Flamme nach vorn, und wer von diesem breiten Dolch getroffen wurde, bei dem riss er sicher fürchterliche Wunden. Jetzt konnte sich der Hausmeister auch vorstellen, womit die Boone gekillt worden war.
Er wollte es genau wissen und fragte deshalb: »Hast du damit auch Eartha Boone gekillt?«
»Nein, nicht ich. Mirja hat den ersten Schritt getan. Ich folge ihr nur in der Handlung.«
Der Hausmeister verzog das Gesicht. Sein Speichel schmeckte plötzlich scharf wie Säure. Er hatte in den letzten Minuten nicht mehr daran gedacht, dass es sich bei den Manson-Schwestern um Zwillinge handelte. Damit hatten sie schon zu Schulzeiten Lehrer und Schüler gefoppt. Nie hätte er gedacht, dass so etwas auch
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