1493 - Höllenschwur der Zwillinge
das geringste Gefühl ab.
Der Hausmeister wusste mit ihrem Erscheinen nicht so richtig etwas anzufangen, es hatte ihm zunächst die Sprache verschlagen. Die Frage, die er anschließend stellte, kam ihm dumm vor.
»Wer bist du?«
»Denk mal nach, Cusack.«
»Weiß nicht.«
»Schau mich an.«
»Ja, ja, das tue ich.« Cusack sah in das Gesicht. Die braunen Haare umrahmten es. Die kleine Nase, die hohe Stirn, die dunklen Augen und die feinporige Haut, das alles war ihm im Moment fremd, aber nicht so fremd, als dass er gesagt hätte, sie noch nie gesehen zu haben.
Er kannte sie.
Cusack kramte in seiner Erinnerung. Im Laufe der Jahre hatte er zahlreiche Schüler kommen und gehen sehen. Einige waren ihm in Erinnerung geblieben, andere weniger. Aber diese Person gehörte zu denen, die er nicht vergessen hatte. Es dauerte nur etwas, bis es ihm dämmerte.
»Moment mal, du bist doch hier auf der Schule gewesen.«
»Genau.«
»Das liegt aber schon länger zurück.«
»Ein paar Jahre.«
Eine innere Stimme sagte Cusack, dass diese Person etwas Besonderes gewesen war oder etwas Besonderes an sich hatte.
»Na? Klickt es?«
»Ich weiß nicht. Ich kenne dich schon…«
»Ich habe dich auch nicht vergessen, Cusack. Das kann ich einfach nicht bei Menschen, die mich verprügelt haben. Das hast du getan, du Schweinehund, und deshalb bin ich wieder hier. Ich habe nichts vergessen und werde auch nichts vergessen.«
Cusack sagte nichts. Ausgerechnet jetzt musste er an die tote Eartha Boone denken, und plötzlich begann er innerlich zu frieren.
»Erinnerst du dich nicht?«
»Verdammt, von mir haben so manche Schüler Prügel bekommen, und das war dann auch verdient. Sie hatten irgendwelchen Unsinn gemacht, der nicht sein sollte.«
»Das kommt ganz auf die Sichtweise an. Mich hast du hier unten regelrecht zusammengedroschen. Immer in den Leib geschlagen, damit man nichts sah. Du musstest dich mal wieder abreagieren, aber genau das muss ich jetzt auch, Cusack.«
Ihm fiel es plötzlich wie Schuppen von den Augen.
»Du bist Maureen, nicht? Maureen Manson!«
»Genau.«
Cusack lachte. »Ja, jetzt erkenne ich dich, obwohl du einige Jahre älter geworden bist.«
»Das ist auch mit dir passiert, Cusack. Aber im Gegensatz zu dir hat mein Gedächtnis nicht gelitten. Ich kann mich noch sehr gut an gewisse Dinge erinnern.«
»Hast du nicht eine Schwester?«
»Auch das.«
Cusack lachte krächzend. Dann sagte er: »Ja, die Zwillinge, die uns oft verarscht haben. Das war manchmal kein Spaß mehr. So welche wie euch haben wir nicht noch einmalgehabt. Zum Glück nicht. Aber das ist alles vorbei.«
»Nicht für mich.«
»Wieso?«
»Auch nicht für meine Schwester.«
»Was wollt ihr denn?«
»Oh, wir haben sehr lange gewartet, Cusack, und das war auch nötig, denn wir mussten uns auf gewisse Dinge richtig vorbereiten. Das haben wir auch sehr intensiv getan, und nun ist die Zeit reif.«
Der Hausmeister schüttelte den Kopf. »Welche Zeit?«
»Hast du nicht meinen Anruf erhalten?«
Verdammt, den hatte er ganz vergessen. Cusack spürte, wie eine Hitzewelle in ihm hochstieg und er einen roten Kopf bekam. Er erinnerte sich wieder an die Worte. Da hatte die Manson von dem Mord an der Lehrerin gesprochen, und plötzlich konnte er sich vorstellen, dass er in das Gesicht einer Mörderin schaute.
»Nein«, flüsterte er, »nein – oder doch?«
»Das Letzte ist richtig.«
Die Welle nahm an Hitze noch zu. »Dann – dann – hast du Eartha Boone umgebracht?«
»Ich nicht allein. Du weißt doch von früher, dass man uns nur im Doppelpack bekommt. Aber um auf deine Frage zurückzukommen. Ja, wir haben sie ins Jenseits geschickt, und es war für uns ein gutes Gefühl, dies erleben zu dürfen.«
Der Hausmeister sagte nichts mehr. Er wäre ihm auch schwer gefallen, jetzt etwas zu sagen. Er schaffte nur ein leichtes Kopf schütteln, als könnte er die Tatsachen dadurch verdrängen.
»Wir nehmen Rache, Cusack. Rache an denen, die uns damals so übel mitgespielt haben. Und wir stehen nicht allein, denn wir haben uns einen großen Beschützer geholt. Er ist mächtiger als alle Menschen hier zusammen, denn er ist der Teufel. Ja, er steht auf unserer Seite und freut sich über jeden Menschen, der durch unsere Hände stirbt.«
»Du bist verrückt, Maureen.«
»Nein, nein, das denkst du nur.«
»Okay, ich weiß, dass so einiges nicht richtig war, wie es damals gelaufen ist, aber das ist noch längst kein Grund, die Menschen, die euch nicht
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