15 Gruselstories
seit ewigen Zeiten kein menschliches Lebewesen diese Gruft betreten hatte. Tagsüber war sie den Ratten überlassen, und nachts kroch das Grauen über die kalten Steine. In der Mitte der Gruft war ein Altar errichtet, ein Altar des Satans. Es war ein großer schwarzer Stein, an dem sich einst Baron Ulmo mit Gleichgesinnten dem Teufelskult ergeben hatte, vor dem sie Luzifer anbeteten und ihm Opfer darbrachten. Jetzt lag der Baron unter dem Altar begraben. Das war in etwa die Legende.
Laut Drehbuch hatte jetzt Sylvia Channing, die Heldin der Geschichte, zu erscheinen. Sie hatte das alte Schloß geerbt, war mit ihrem jungen Ehemann eingezogen und durchstöberte nun jeden Winkel des alten Gemäuers.
In dieser Szene sollte sie den Altar zum erstenmal sehen und die verwaschene Inschrift lesen. Sie konnte natürlich nicht ahnen, daß diese Inschrift unter gewissen Bedingungen zu einer Art Anruf werden konnte, der zur Folge hatte, daß sich das Grab öffnete und Baron Ulmo von den Toten erweckt wurde. Die Leiche hatte sich aus dem Grab zu erheben und zu wandeln. An diesem Punkt sollten die Dreharbeiten – wegen Jorlas Abwesenheit – erst einmal unterbrochen werden.
Ich mußte anerkennend feststellen, daß die Kulissen und die ganze Aufmachung großartig gelungen waren.
Auf ein Zeichen Regisseurs Bleskinds setzten sich Les Kincaid und ich neben ihn. Die Scheinwerfer flammten auf, Sylvia Channing trat in die Kulissen, und die Kamera lief.
Das Ganze war zu Anfang eine Pantomime. Sylvia ging über den mit Spinngeweben bedeckten Steinboden. Sie entdeckte den Altar und untersuchte ihn neugierig. Vor der Inschrift blieb sie stehen und las sie aufmerksam. Dann wiederholte sie flüsternd die Worte.
Ein Dröhnen und Pfeifen erfüllte die Gruft, als sich der Mechanismus automatisch in Bewegung setzte. Der Steinaltar schob sich ächzend zur Seite, und eine große schwarze klaffende Grube wurde sichtbar.
Die Kamera schwenkte auf Sylvias Gesicht. Sie hatte voller Entsetzen in die Grube zu starren, und ich muß sagen, es gelang ihr vortrefflich. Im fertigen Film würde sie dann auf Jorlas Gestalt starren.
Bleskind war im Begriff, das Zeichen zum Abbrechen zu geben. Aber da –
Irgend etwas erhob sich aus dem Grab!
Es war tot, dieses Etwas, dieses Grauen mit der Maske gesichtslosen Fleisches. Um seinen Körper hingen vermoderte Lumpen, und auf seiner Brust leuchtete ein blutiges, auf den Kopf gestelltes Kruzifix, das aus dem toten Fleisch herausgeschnitten worden war. Seine Augen loderten ekelhaft. Es war Baron Ulmo, der von den Toten auferstand. Und es war Karl Jorla!
Das Make-up war einmalig. Seine Augen waren so tot wie in dem anderen Film. Seine Lippen schienen wieder angefressen zu sein. Aber sein Mund wirkte fast noch abscheulicher als damals, denn er war geöffnet und legte ein pechschwarzes Loch frei. Die Wirkung, die von dem blutenden Kruzifix ausging, war so eindrucksvoll, daß sie sich nicht beschreiben läßt.
Bleskind verschluckte beinahe seine Zigarre, als Jorla erschien. Aber er war geistesgegenwärtig genug, den erstarrten Kameraleuten das Zeichen zum Weiterdrehen zu geben.
Wir saßen weit vorgebeugt und verfolgten angestrengt jede Bewegung. Aber ich sah in Les Kincaids Augen dasselbe ungläubige Staunen, das mich erfüllte.
Jorla spielte wie nie zuvor.
Er bewegte sich so langsam, wie man es von einer Leiche erwartete. Als er sich mühsam aus dem Grab aufrichtete, schien ihm jede kleinste Anstrengung Pein zu bereiten. Die ganze Szene verlief lautlos. Sylvia war in Ohnmacht gefallen. Als sich dann aber Jorlas Lippen bewegten, hörten wir ein schwaches geflüstertes Gemurmel, das das
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