15 Gruselstories
Grauen nur noch unterstrich. Inzwischen hatte sich sein schrecklicher Körper fast zur Hälfte aus dem Grab erhoben. Er schien sich unter gräßlichen Qualen weiter aufzurichten, wobei er mit seinem Gemurmel fortfuhr. Das blutende, ins Fleisch eingeschnittene Kruzifix glühte dunkelrot auf seiner Brust. Dabei fiel mir das Kreuz ein, das man bei seinem ermordeten Freund, dem österreichischen Regisseur Fritz Ohmmen, vorgefunden hatte. Jetzt war mir klar, wie Karl Jorla auf diese Idee gekommen war.
Die Leiche richtete sich auf … sie war im Begriff, sich zu erheben … aber dann wurde sie mit einem plötzlichen Ruck steif und sank in das Grab zurück.
Ich weiß nicht, wer den ersten Schrei ausstieß. Aber nachdem die Bühnenarbeiter zu dem Grab gestürzt waren um nachzusehen, was darin lag, hörte das Schreien überhaupt nicht mehr auf.
Ich raste nach vorn. Und ich schrie ebenfalls, als ich am Rand des Grabes stand.
Denn das Grab war leer.
Ich wünschte, daß ich damit die Geschichte beenden könnte. Die Zeitungen haben nie etwas davon erfahren. Die Polizei gab keinen Bericht heraus. Die Leute, die bei den Dreharbeiten anwesend waren, sagten sowieso kein Wort. Die Herstellung des Filmes wurde unverzüglich eingestellt. Aber die Geschichte hörte damit leider noch nicht auf. Das Ungeheuerliche, das sich auf der Bühne zugetragen hatte, hatte noch ein Nachspiel.
Kincaid und ich starrten Bleskind an, dessen Mund auf- und zuklappte, ohne daß er einen Ton hervorbrachte. Was sollte er auch sagen? Wie sollte es für das, was wir eben gesehen hatten, eine vernünftige Erklärung geben?
Jorla war seit Tagen verschwunden gewesen. Keiner hatte ihn in das Atelier gelassen, und niemand hatte ihm das Make-up gemacht. Kein Mensch hatte gesehen, daß er sich in das Grab gelegt hatte. Tatsache war aber: Er war in der Szene erschienen und dann wieder verschwunden. Und das Grab war leer.
Als im Studio noch allgemeines Entsetzen und Ratlosigkeit herrschten, raffte sich Kincaid als erster zusammen und sagte Bleskind, was zu tun wäre.
Der Film wurde sofort entwickelt, obwohl zwei der Techniker dabei ohnmächtig wurden. Dann saßen wir drei in einem der kleinen Vorführräume und sahen uns das rohgefaßte Muster an. Auf unseren Wunsch hatte man auch in Eile den Ton unterlegt.
Die Szene lief noch einmal vor unseren Augen ab. Sylvia ging umher und las die Inschrift, das Grab öffnete sich und – o Gott! – nichts erschien!
Nichts – außer einer großen roten Wunde, die mitten im Raum zu schweben schien. Es war das auf den Kopf gestellte Kruzifix, das in das blutende Fleisch eingeschnitten worden war. Von Jorla selbst war nicht das geringste zu sehen! Es gab nur das bluttriefende Kreuz in der Luft und dann das leise Gemurmel …
Jorla – das Etwas oder was immer es gewesen sein mochte – hatte ein paar Worte gestammelt, als er – oder es – sich aus dem Grab erhoben hatte. Ich hatte gar nicht gewußt, daß beim Drehen der Szene der Ton mitgelaufen war. Wir sahen nichts von Jorla. Wir sahen nur das Kruzifix. Aber wir hörten jetzt Jorlas Stimme, die aus dem Nichts kam. Wir verstanden, was er immer wiederholte, bis er in das Grab zurückfiel.
Es war eine Adresse im Topanga Canyon.
Wir empfanden es alle als eine Wohltat, als das Licht wieder anging.
Kincaid rief sofort bei der Polizei an und schickte sie zu der Adresse, die wir eben gehört hatten.
Dann saßen wir drei in Kincaids Büro und warteten auf den Anruf von der Polizei. Wir tranken, aber wir redeten kein Wort. Jeder von uns hing seinen eigenen Gedanken nach, aber wir dachten wahrscheinlich alle dasselbe. Wir dachten an Karl Jorla, den Teufelsanbeter, der uns sein Schicksal verraten hatte, und an seine Angst vor der
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