15 Gruselstories
Vergeltung. Wir erinnerten uns an den ermordeten Regisseur in Paris, dem man ein Kruzifix auf die Brust gebrannt hatte, und an Jorlas Verschwinden. Und schließlich waren wir mit unseren Gedanken wieder bei dem scheußlichen Geisterwesen in der heutigen Szene angelangt. Dieses Wesen, das sich nicht auf den Film bannen ließ. Nur die flammende Wunde war auf dem Film gekommen, als Jorlas stöhnende Stimme die Adresse preisgab …
Das Telefon schrillte.
Ich hob den Hörer ab. Es war wirklich die Polizei. Als sie Bericht erstattet hatten, fiel ich in Ohnmacht.
Es dauerte einige Minuten, bis ich wieder zu mir kam, und es vergingen weitere Minuten, bevor ich sprechen konnte.
»Die Adresse, die uns Karl Jorla von der Leinwand her gegeben hat, stimmt. Sie haben dort seine Leiche gefunden«, flüsterte ich heiser. »Er hauste oben in den Bergen in einer alten Hütte und war tot, als die Polizei kam. Er ist – ermordet worden. Und in seine Brust ist wirklich ein umgedrehtes Kreuz eingeschnitten worden. Sie glauben, daß das das Werk von einigen Fanatikern ist, denn in der Hütte lagen überall Bücher über Schwarze Magie verstreut. Sie sagen –«
Ich stockte.
Kincaid sah mich durchdringend an.
»Was sagen sie?« fragte er und beugte sich angespannt vor.
Ich schluckte heftig. »Sie sagen, daß Jorla schon seit mindestens drei Tagen tot ist.«
Der Gott ohne Gesicht
Das gequälte Etwas auf der Folterbank begann zu stöhnen.
»Aha«, nickte Dr. Carnoti, »haben wir ihn endlich soweit.«
Er beugte sich über den gefolterten Mann auf dem eisernen Grill und blickte in das schmerzverzerrte Gesicht. Seine Augen, in denen sich leichte Belustigung spiegelte, nahmen jede Einzelheit des gepeinigten Körpers, der vor ihm lag, in sich auf.
Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Gesicht des Gefolterten zu und sagte langsam: »Nun, Hassan, ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie sich angesichts meiner – überzeugenden Überredungskunst weiterhin so störrisch wie bisher verhalten.« Er lächelte leicht und fuhr dann mit schneidender Stimme fort: »Also los: Wo finde ich das Götzenbild, von dem Sie gesprochen haben?«
Das gequälte Opfer begann zu schluchzen. Der Doktor sah sich gezwungen, neben der Folterbank in die Knie zu gehen, um das zusammenhanglose Gestammel des Mannes verstehen zu können. Die mißhandelte Kreatur mochte etwa zwanzig Minuten lang mit einer krächzenden Stimme, die keinem lebenden Menschen zu gehören schien, geredet haben, als sie dann völlig erschöpft schwieg.
Als sich Dr. Carnoti wieder erhob, leuchteten seine freundlichen Augen höchst zufrieden. Er gab einem der Schwarzen, die das Foltergerät bedienten, eine kurze Anweisung. Der Bursche nickte und trat zu dem Gefesselten. Dann zog er sein Schwert und ließ es niedersausen.
Dr. Carnoti verließ den Raum, schloß die Tür hinter sich ab und stieg die Kellertreppe hinauf. Als er die Falltür hochstemmte, sah er, daß die Sonne schien. Der Doktor begann zu pfeifen. Er war im höchsten Maße zufrieden.
Er hatte auch allen Grund dazu.
Jahrelang war der Doktor, wie man im Volksmund sagt, ein ›Abenteurer‹ gewesen.
Er hatte Antiquitäten geschmuggelt, er hatte am oberen Nil die Arbeitskräfte ausgebeutet, und er hatte sich auch nicht gescheut, vom Sklavenhandel, der seinerzeit am Roten Meer blühte, zu profitieren. Er war vor vielen Jahren als Mitglied einer archäologischen Expedition nach Ägypten gekommen. Aber die anderen Teilnehmer dieser Expedition hatten sich sehr plötzlich von ihm distanziert und legten keinen Wert auf seine weitere Mitarbeit. Der Grund dafür ist nicht bekannt, aber es gibt einige Gerüchte, die besagen, daß er
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