15 Gruselstories
dagegen wehrte, kam ihm die Legende von Nyarlathotep nicht aus dem Sinn. Er konnte die Angst nicht unterdrücken, daß ihn die Rache dieses Gottes treffen würde. Vergeblich versuchte er sich einzuhämmern, daß das alles nur Aberglaube wäre, der ihm nichts anhaben könnte. Er schaffte es einfach nicht. Er zitterte vor Angst, wenn er an den göttlichen Zorn dachte, der sein Schicksal besiegeln würde. Er hatte einen heiligen Ort entweiht. Der Gott des Bösen würde das nicht ungestraft hinnehmen … »Man tut gut daran, seine früheren Fährten nicht zu kreuzen« … »Gott der Wüste« … »Der Gott ohne Gesicht« …
Carnoti stieß einen fürchterlichen, verzweifelten Fluch aus.
Er wirkte zwischen den sich fortbewegenden Sanddünen wie eine winzige Ameise.
Die Nacht ging ohne Übergang in den Morgen über. Von einer Sekunde zur anderen war es hell. Der Sand, der kurz purpurrot aufgeleuchtet hatte, schimmerte jetzt matt violett, um gleich darauf wie eine Orchidee zu glühen.
Aber Carnoti sah das nicht, denn er schlief. Sein aufgedunsener Körper hatte durch die ungewohnte Anstrengung viel eher gestreikt, als Carnoti es für möglich gehalten hätte. Schon vor Stunden hatten seine dünnen Beine ihren Dienst versagt, und er war völlig erschöpft im Sand zusammengebrochen. Er war kaum noch in der Lage gewesen, die Wolldecke über seinen Körper auszubreiten, ehe er einschlief.
Die Sonne kroch wie ein feuerroter Ball aus Lava über einen Himmel, der aus Metall zu sein schien, und bohrte ihre sengenden Strahlen in den flammenden Sand.
Carnoti war so erschöpft, daß er trotz der unbarmherzigen Hitze weiterschlief. Aber sein Schlaf war alles andere als erquickend, denn er wurde durch die teuflische Glut von entsetzlichen Träumen gepeinigt.
In seinen Alpträumen verfolgte ihn die Figur Nyarlathoteps durch eine Wüste, die in Flammen stand. Er rannte über eine brennende Fläche. Obwohl seine Füße langsam verkohlten und er vor Schmerzen aufheulte, mußte er weiterlaufen, denn der Gott ohne Gesicht, der von Schlangen umgeben war, war ihm dicht auf den Fersen. Er lief und lief, aber der Abstand zwischen ihm und der abscheulichen Kreatur vergrößerte sich nicht; im Gegenteil, dieses Ungeheuer kam langsam näher und näher. Seine Füße wurden in dem glühend heißen Wüstensand immer gefühlloser. Die verkohlten Stücke brachen weg. Zum Schluß humpelte er nur noch auf grausam zerfetzten Beinstümpfen. Aber die Todesangst trieb ihn trotz der wahnsinnigen Schmerzen voran. Das Ungeheuer hinter ihm kicherte diabolisch; und ein paar Sekunden darauf erfüllte sein dröhnendes Lachen die brennende Luft und stieg zum lodernden Himmel auf.
Carnoti konnte sich in seinem Traum jetzt nur noch auf den Knien fortbewegen. Er bemerkte voller Entsetzen, daß seine Beinstümpfe immer weiter verkohlten. Dann wurde die ganze Wüste plötzlich zu einem Flammenmeer, in dem er versank. Er schrie gellend, als das Feuer auf seinen ganzen Körper übergriff. Er merkte, wie er langsam in dem glühenden Sand untertauchte. Zuerst bedeckte der Sand seine Arme, dann reichte er ihm bis zur Hüfte. Und er versank weiter. Und noch in dem Augenblick, als der heiße Sand seine Kehle umschloß und für ihn das Ende gekommen war, fürchtete er im Sterben die Gestalt des Gottes ohne Gesicht hinter sich. Und die Furcht war qualvoller als alle Schmerzen. Und selbst als er in der weißen, brennenden Hölle völlig versank, wehrte er sich noch schwach gegen diese Furcht. Die Rache des Gottes durfte ihn nie treffen! Dann ergriff die Glut von ihm Besitz. Seine blutenden, zerplatzten Lippen wurden geröstet. Und nach den letzten Zuckungen verwandelte sich sein ganzer Körper in
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