15 Gruselstories
Hassan, der Bursche, den er auf die Folterbank geschnallt hatte, zu erleiden. Der arme Teufel hatte wahrlich alles andere als einen erfreulichen Eindruck gemacht. O nein, Sterben war nichts für den Doktor. Er mußte sofort aufbrechen.
Aber in welche Richtung?
Er drehte sich wie ein Wahnsinniger um seine eigene Achse und versuchte sich zu erinnern, aus welcher Richtung die kleine Karawane gekommen war. Die Wüste machte sich jedoch lustig über ihn. Sie zeigte ihm nach allen Seiten den gleichen eintönigen, unendlich weiten Horizont.
Aber in dem Moment, als sich eine grenzenlose Verzweiflung in Carnotis Hirn einschleichen wollte, hatte er eine plötzliche Eingebung. Er mußte selbstverständlich den Weg nach Norden einschlagen. Und er erinnerte sich jetzt an einen Satz des endlosen Vortrages, den ihm der Dolmetscher heute nachmittag gehalten hatte. Der Dolmetscher hatte erwähnt, daß der Kopf der Statue des Gottes Nyarlathotep nach Norden gerichtet war.
Diese Erkenntnis versetzte Carnoti in Hochstimmung.
Er durchsuchte das Zelt nach vielleicht noch vorhandenem Proviant. Aber er nahm es einigermaßen gelassen hin, als er außer Tabak und Streichhölzern nichts fand. Nachdem er zu seiner Freude in seinem Tornister ein Buschmesser entdeckt hatte, kehrte er dem Zelt fast zufrieden den Rücken.
Der Marsch, den er vor sich hatte, kam ihm jetzt fast wie ein Kinderspiel vor. Er würde während der restlichen Nacht ununterbrochen laufen und würde versuchen, eine möglichst große Strecke zurückzulegen. Die leichte Wolldecke, die er sich unter den Arm geklemmt hatte, würde ihn vor der Mittagsglut etwas schützen. Am späten Nachmittag, sobald die Temperatur einigermaßen erträglich war, würde er dann seinen Marsch fortsetzen. Wenn er dann die ganze nächste Nacht hindurch lief, müßte er am darauffolgenden Morgen die Wadi-Hassur-Oase erreichen. Dann wäre er außer Gefahr.
Aber jetzt mußte er erst einmal zu dem Götzenbild gehen, um die Nordrichtung festzustellen.
Voller Elan marschierte er um sein Zelt herum, wo die Statue stand. Doch schon nach wenigen Schritten erlitt er seinen größten Schock und blieb erstarrt stehen.
Das Götzenbild war wieder im Sand vergraben!
Die Eingeborenen hatten die Statue in dem Zustand verlassen, in dem sie sie vorgefunden hatten. Es hatte ihnen nicht gereicht, sie wieder zuzuschaufeln; sie hatten aus Vorsicht und Angst vor Vergeltung auch noch die beiden Findlingssteine an Ort und Stelle gerollt. Diese wuchtigen Steine waren so schwer, daß sie sich auch durch Carnotis übermenschliche Kraftanstrengung nicht einen Millimeter von der Stelle rührten.
Als Carnoti seine Bemühungen erschöpft aufgab, sank er jammernd in den Sand. Das Grauen übermannte ihn, als ihm diese Katastrophe im vollen Ausmaß zum Bewußtsein kam. Er war hilflos seinem Schicksal überlassen.
Das Fluchen konnte ihm keine Erleichterung verschaffen; und es konnte ihm schon gar nicht weiterhelfen. Das Stoßgebet, das er ausstoßen wollte, erstarb ihm auf den Lippen. Wen wollte er auch im Gebet um Hilfe anflehen? Etwa Nyarlathotep – den Herrscher der Wüste?
Schließlich erhob sich Carnoti taumelnd und machte sich mit einer neuen und tödlichen Furcht im Herzen auf den Weg. Er wählte die Richtung aufs Geratewohl und klammerte sich an die vage Hoffnung, daß sich die Wolken verziehen würden, damit ihm die Sterne die Richtung weisen könnten. Aber die Wolken blieben. Nur der Mond grinste höhnisch auf die einsame Gestalt in der Wüste, die durch den Sand stolperte. In der grenzenlosen Einsamkeit, die Carnoti umgab, schlichen sich teuflische Gedanken in sein Hirn.
Obwohl er sich mit allen Kräften
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