15 Gruselstories
heutzutage.
Und an Männern hatte es Laura damals nicht gemangelt. Sie gingen im Haus ein und aus. Ihre Schuhe waren auf Hochglanz poliert, sie dienerten und strichen ihre mit Brillantine getränkten Schnurrbarte glatt. Sie lächelten den alten Job an, sie zwinkerten den Hausmädchen zu und starrten in mondsüchtiger Verzückung auf Laura.
Laura betrachtete diese Huldigungen als eine Selbstverständlichkeit, aber, du lieber Gott, von gewissen Dingen hielt sie nichts. Und nicht etwa, weil Papa noch lebte oder weil sie sich zum Heiraten zu jung fühlte. Nein, nur so. Sie hatte auch noch nie so recht davon gehört. Und warum auch das Ganze? Es war doch so herrlich, nur Freunde zu haben …
Mondschein und Mandolinen, Parties und Picknicks, Ruderpartien und Schlittenfahrten, Konfekt und Blumen, Geschenke, Bälle und Punsch. Verehrer, Verehrer, Verehrer. Modesalons, Schönheitspflästerchen, Ritte über die weiten Felder und Radpartien. Und wieder Mondschein und Mandolinen. Die Jahre gingen dahin.
Dann kam der Tag, an dem der alte Job die Augen für immer schloß. Der Arzt erschien, der Priester und der Rechtsanwalt, der lange über Erbschaft und jährliches Einkommen redete.
Dann war Laura allein. Es gab im Haus außer ihr nur noch die Bediensteten und die Spiegel. Laura und ihre Spiegel. Der Tag begann mit den Spiegeln, in denen sie sich ausgiebig und sorgfältig betrachtete. Dann ging es so weiter: Spiegel am Vormittag, am Mittag, am Nachmittag und am Abend, ehe die Verehrer kamen. Spiegel, wenn die Kutschen vorfuhren, und Spiegel, ehe sie einem neuen Triumph entgegenwirbelte. Spiegel im Morgengrauen, die ihr zufriedenes Lächeln aufnahmen und den Erzählungen über die Erfolge des vergangenen Abends lauschten.
»Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?«
Die Spiegel sagten Laura die Wahrheit. Spiegel lügen nicht. Spiegel greifen nicht nach einem oder flüstern oder verlangen eine Gegenleistung, wenn sie die Schönheit preisen.
Mochten auch die Jahre vergehen, die Spiegel veränderten sich nicht. Sie alterten nicht. Und Laura alterte nicht.
Im Laufe der Zeit wurden die Verehrer rarer, und einige der alten Freunde waren seltsam verändert. Sie schienen irgendwie älter geworden zu sein. Aber wie war das nur möglich, denn Laura Bellman war so jung wie eh und je? Die Spiegel bestätigten es ihr täglich – und die Spiegel sagten immer die Wahrheit.
Laura verbrachte immer mehr Zeit mit ihren Spiegeln. Sie puderte sich, suchte unentwegt nach Fältchen und färbte ihr langes Haar. Die Augenlider flatterten, aber sie lächelte und machte einen Schmollmund. Sie wirbelte vor den Spiegeln herum und konnte sich nicht genug an ihrer perfekten Schönheit sattsehen.
Es kam auch vor, daß sie die Verehrer wieder nach Hause schickte. Sie ließ ihnen durch die Hausangestellten sagen, daß sie nicht da wäre, denn es schien ihr irgendwie eine Zeitverschwendung zu sein, von den Spiegeln wegzugehen. Aber diese Sorge brauchte sie nicht mehr lange zu haben, denn die Verehrer blieben nach und nach völlig aus. Die Hausangestellten kamen und gingen. Wenn einer starb, fand sich rasch ein Ersatz. Nur Laura und die Spiegel blieben. Die neunziger Jahre waren ausgesprochen fröhlich. Aber es gab Leute, die das nicht so recht verstanden. Sie schüttelten ihre Köpfe über die Art und Weise, wie Laura lachte, sich im Bett wälzte und ihre frivolen Geheimnisse mit den Spiegeln teilte.
Die Zeit verging wie im Fluge. Aber Laura lachte nur. Sie kicherte und gluckste, wenn die Hausangestellten mit ihr sprachen, und sie fand es jetzt viel bequemer, die Mahlzeiten von einem Tablett in ihrem Zimmer einzunehmen.
Nur mit den anderen stimmte etwas nicht. Mit
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