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15 Gruselstories

15 Gruselstories

Titel: 15 Gruselstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bloch
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stell­te mir vor, wie ver­tieft er in sei­ne Ar­beit war.
    Aber nichts der­glei­chen. Mr. Stein­way schwieg, und die Ver­bin­dungs­tür war ge­schlos­sen. Da­für wur­de ich gleich im Vor­raum über­rascht.
    Leo war wie­der tot.
    Er lag auf der rie­si­gen Couch. Sei­ne Bläs­se schim­mer­te durch das Däm­mer­licht. Sei­ne Au­gen wa­ren ge­schlos­sen, sei­ne Oh­ren wa­ren ge­schlos­sen, und auch sein Herz schi­en ver­schlos­sen zu sein, bis ich mich über ihn beug­te und mei­ne war­men Lip­pen auf sei­nen kal­ten Mund preß­te.
    »Do­ro­thy!«
    »Spielst du wie­der Dorn­rös­chen?« frag­te ich lä­chelnd und fuhr ihm mit der Hand durch die Haa­re. »Was ist, Lieb­ling? Hat dich das Üben er­mü­det? Ich kann dir kei­nen Vor­wurf ma­chen, be­son­ders, wenn man be­denkt –«
    Es war im Zim­mer noch nicht so dun­kel, daß mir sein Stirn­run­zeln ent­ge­hen konn­te.
    »Ha­be ich dich – er­schreckt?« Die­ser Satz konn­te aus dem Dreh­buch zu ei­nem Kitsch­film stam­men; aber die gan­ze Si­tua­ti­on hat­te mit ei­ner Schnul­ze Ähn­lich­keit. Der be­rühm­te, be­gab­te jun­ge Pia­nist, der zwi­schen Lie­be und Kar­rie­re hin- und her­ge­ris­sen wur­de, der von ei­nem jun­gen Ding in sei­nem Stre­ben nach künst­le­ri­scher Vollen­dung ab­ge­lenkt wur­de … Er run­zel­te die Stirn, er­hob sich und leg­te sei­ne Hän­de auf mei­ne Schul­tern. Die Ka­me­ra fuhr dicht her­an, und er sag­te in Groß­auf­nah­me:
    »Do­ro­thy, ich muß mit dir re­den.« Aha, dach­te ich, al­so hat­te ich recht. Jetzt muß­te es kom­men; die be­rühm­te An­spra­che, daß die Kunst an ers­ter Stel­le steht, daß sich Ar­beit und Lie­be nicht ver­tra­gen – und daß dar­an auch die ver­gan­ge­ne Nacht nichts ge­än­dert hät­te. Ich schob die Un­ter­lip­pe vor. Un­ter ge­wis­sen Um­stän­den kann ich einen recht hüb­schen Schmoll­mund ma­chen. Aber ich schwieg und war auf das vor­be­rei­tet, was er sa­gen wür­de.
    Er sag­te: »Was weißt du über die Son­nen­wis­sen­schaft, Do­ro­thy?«
    Ich riß die Au­gen auf und stot­ter­te ver­dutzt: »Da­von ha­be ich noch nie et­was ge­hört.«
    »Das ist auch kein Wun­der. Denn die­ser Zweig der Psy­cho­lo­gie hat sich bis heu­te noch nicht rich­tig durch­ge­setzt. Aber man soll­te ihn nicht un­ter­schät­zen. Denn wenn man sich erst ein­mal mit die­ser Ma­te­rie be­schäf­tigt, kann man sich den lo­gi­schen Schluß­fol­ge­run­gen nicht ent­zie­hen. Aber ich glau­be, ich soll­te dir das Gan­ze von An­fang an ge­nau er­klä­ren, da­mit du es ver­stehst.«
    Und er er­klär­te mir es ge­nau. Ich be­müh­te mich ernst­haft, ihn zu ver­ste­hen. Aber nach­dem er wohl ei­ne Stun­de lang ge­re­det ha­ben moch­te, hat­te ich im End­ef­fekt recht we­nig be­grif­fen.
    Auf al­le Fäl­le schi­en sich schon sei­ne Mut­ter leb­haft für die Son­nen­wis­sen­schaft in­ter­es­siert zu ha­ben. Und um mit die­ser Wis­sen­schaft ver­traut zu wer­den, muß­te man of­fen­sicht­lich in ei­ne Art Me­di­ta­ti­on ver­sin­ken, die mit ge­wis­sen Yo­ga-Übun­gen Ähn­lich­keit hat­te. Sei­ne Mut­ter hat­te ein Jahr vor ih­rem To­de da­mit an­ge­fan­gen. Und nun ex­pe­ri­men­tier­te Leo seit vier Jah­ren al­lei­ne an die­ser Ge­schich­te her­um. Man konn­te dem Kern­punkt die­ser Leh­re nur im Tran­ce­zu­stand nä­her­kom­men. Der Er­folg hing von der ei­ge­nen Kon­zen­tra­ti­on ab. Aber wenn ich Leo recht ver­stan­den ha­be, müß­te es ei­ne mü­he­lo­se, schwe­re­lo­se Kon­zen­tra­ti­on sein, die dem In­nern ent­springt und nach und nach ein ›ab­so­lu­tes Selbst­be­wußt­sein‹ schafft.
    Nach die­ser Son­nen­wis­sen­schaft soll­te es mög­lich sein, daß man sich sei­nes ei­ge­nen Kör­pers so be­wußt wird, daß man sich mit den Or­ga­nen, den Zel­len, dem Blut, den Kno­chen und Seh­nen di­rekt in Ver­bin­dung set­zen kann. Denn al­les, bis hin­un­ter zu den kleins­ten Mo­le­kü­len, be­sitzt ei­ne ei­ge­ne Schwin­gungs­fre­quenz und ist so­mit le­ben­dig.
    Leo wid­me­te sich vier Stun­den am Tag Mr. Stein­way und be­schäf­tig­te sich min­des­tens zwei wei­te­re Stun­den mit der Son­nen­wis­sen­schaft und dem ›ab­so­lu­ten

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