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15 Gruselstories

15 Gruselstories

Titel: 15 Gruselstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bloch
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nick­te. Aber da­mit gab ich mich nicht zu­frie­den.
    »Hör mir ge­nau zu, Leo«, sag­te ich ein­dring­lich. »Ich fra­ge dich nur ein­mal, und du mußt dich gleich ent­schei­den. Willst du Mr. Stein­way jetzt, heu­te noch, ver­las­sen und mit mir ge­hen? Ich mei­ne es ernst. Pa­cke das Nö­tigs­te in einen Kof­fer und sei in ei­ner hal­b­en Stun­de in mei­ner Woh­nung. Ich wer­de Har­ry an­ru­fen und ihm ir­gend et­was er­zäh­len. Das ist al­les nicht so wich­tig. Wich­tig ist, daß wir von hier fort­kom­men. Ich füh­le ge­nau, daß wir kei­ne Zeit zu ver­lie­ren ha­ben.«
    Als mich Leo an­schau­te, nahm sein Ge­sicht wie­der den to­ten Aus­druck an. Ich hol­te tief Luft und war­te­te dar­auf, daß hin­ter mir wie­der das schreck­li­che Tö­nen ein­set­zen wür­de. Aber nichts der­glei­chen ge­sch­ah, und als ich Leo zwang, mir in die Au­gen zu bli­cken, kehr­te in sein Ge­sicht die Far­be zu­rück, und er lä­chel­te mich an. Als ich er­leich­tert auf­at­me­te, sag­te er:
    »Ich bin in zwan­zig Mi­nu­ten bei dir. Mit mei­nem Ge­päck.«
    Al­les wür­de in Ord­nung kom­men! Ich ging ei­lig die Trep­pen hin­un­ter. Und al­les war in Ord­nung. Es war auch noch in Ord­nung, als ich auf die Stra­ße kam. Aber dann hör­te ich auf ein­mal die Schwin­gun­gen mei­ner ho­hen Ab­sät­ze. Mir wur­de das Ge­räusch, das die Rä­der auf dem Pflas­ter mach­ten, be­wußt und das Sin­gen der Te­le­fon­dräh­te im Wind. Das Kli­cken der Ver­kehrs­am­peln dröhn­te in mei­nen Oh­ren. Ich er­faß­te die Ge­räusche un­ter den Ge­räuschen. Die Stim­me der Stadt häm­mer­te auf mich ein. Ich spür­te die Qual des As­phalts, die Me­lan­cho­lie des Be­tons und die Pein des zer­split­ter­ten Hol­zes. Die ein­zel­nen Ma­te­ria­li­en, aus de­nen mei­ne Klei­dungs­stücke her­ge­stellt wa­ren, stöhn­ten und jam­mer­ten und er­füll­ten mich mit Ent­set­zen. Al­les um mich her­um wog­te und war vol­ler Schwin­gun­gen.
    Nichts sah an­ders als vor­her aus, aber al­les hat­te sich ver­än­dert. Denn die Welt war le­ben­dig ge­wor­den. Gleich­zei­tig mit die­ser Er­kennt­nis wur­de mir auch der un­ge­heu­re Le­bens­kampf be­wußt, den die ein­zel­nen Ma­te­ri­en aus­foch­ten.
    Mei­ne Schrit­te wa­ren le­ben­dig ge­wor­den. Das Trep­pen­ge­län­der war ei­ne end­los lan­ge brau­ne Schlan­ge. Es tat dem Schlüs­sel weh, im Schloß um­ge­dreht zu wer­den. Als ich den Kof­fer auf das Bett warf, schri­en die Sprung­fe­dern ent­rüs­tet auf, und die Klei­der stöhn­ten, als ich sie in den pro­tes­tie­ren­den Kof­fer warf. Der Spie­gel schim­mer­te sil­bern vor Qual, und der Lip­pen­stift schrie, als er von mei­nen Lip­pen zer­quetscht wur­de. Ich wür­de nie, nie wie­der et­was es­sen kön­nen. Denn was wür­de erst dann pas­sie­ren!
    Aber ich zwang mich, al­les zu tun, was nö­tig war. Als ich auf mei­ne Uhr blick­te, ver­such­te ich nur das Ti­cken zu hö­ren und nicht das Quiet­schen der Schrau­ben und das Mur­ren des Me­talls.
    Die zwan­zig Mi­nu­ten muß­ten ver­ge­hen!
    Aber ich stell­te fest, daß be­reits vier­zig Mi­nu­ten ver­gan­gen wa­ren. Und ich hat­te noch nicht ein­mal Har­ry an­ge­ru­fen. Der schwar­ze Hö­rer und die fest­ge­na­gel­ten Te­le­fon­dräh­te am Bo­den ver­ur­sach­ten mir Übel­keit.
    Leo müß­te längst hier sein!
    Der Ge­dan­ke, wie­der über die Stra­ße zu ge­hen, war kaum zu er­tra­gen. Aber die Angst um Leo war stär­ker als die Furcht vor der Stra­ße.
    Ich be­gab mich al­so wie­der in die schäu­men­de Sym­pho­nie, wo al­le Ge­räusche Schwin­gun­gen wa­ren und al­le Schwin­gun­gen leb­ten. Als ich in Leos Woh­nung trat, war al­les dun­kel.
    Al­les war dun­kel bis auf Mr. Stein­ways Zäh­ne, die wie Stoß­zäh­ne ei­nes Ele­fan­ten aus ei­nem Wald von Eben­holz und Teak schim­mer­ten. Es war un­mög­lich, daß Leo Mr. Stein­way von dem hin­te­ren Zim­mer in den vor­de­ren Raum ge­scho­ben hat­te. Au­ßer­dem haß­te Leo Cho­pin. Er wür­de nicht im Dun­keln sit­zen und den Trau­er­marsch spie­len …
    Auf Mr. Stein­ways Zäh­nen hat­ten sich klei­ne Trop­fen ge­bil­det, die eben­falls glit­zer­ten. Und Mr. Stein­ways schwe­re Fü­ße wa­ren

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