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15 Gruselstories

15 Gruselstories

Titel: 15 Gruselstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bloch
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daß sei­ne Dach­kam­mer mol­lig warm war und daß er ei­gent­lich ge­nug zu es­sen hat­te. Denn sei­ne El­tern, die in Mar­seil­le leb­ten und in dem Glau­ben wa­ren, daß er an der Uni­ver­si­tät stu­dier­te, schick­ten ihm im­mer­hin re­gel­mä­ßig Geld.
    Er hät­te al­so gut an ei­nem so öden Tag wie die­sem in sei­ner war­men Dach­kam­mer Zu­flucht su­chen und an ei­nem sei­ner fei­nen So­net­te, die er im­mer schrei­ben woll­te, ar­bei­ten kön­nen. Aber nein, er muß­te durch den dich­ten Ne­bel tap­pen und sich sei­nen ver­spon­ne­nen Ge­dan­ken hin­ge­ben. Ob­wohl er ab­ge­dro­sche­ne Phra­sen haß­te, konn­te er nicht um­hin, das als sei­ne ›ro­man­ti­sche Ader‹ zu be­zeich­nen.
    Aber als der jun­ge Mann heu­te wohl ei­ne Stun­de lang am Kai ent­lang­ge­wan­dert war, ver­lor die ›ro­man­ti­sche Ader‹ ih­ren Reiz. Der naß­kal­te Re­gen hat­te sei­nen ju­gend­li­chen Ei­fer be­acht­lich ab­ge­kühlt. Zu­dem be­merk­te er, wie sich ein höchst un­poe­ti­scher Schnup­fen an­bahn­te.
    Aus die­sem Grun­de war er mehr als er­freut, als er in die­ser to­ten Ge­gend ein schwa­ches Licht ent­deck­te, das ihm durch das mil­chi­ge Nichts hin­durch ent­ge­gen­schim­mer­te. Beim Nä­her­kom­men ent­pupp­te sich das Licht als ei­ne kah­le Bir­ne über ei­ner Tür, die zu ei­nem Kel­ler führ­te und über der das Wort ›Wachs­fi­gu­ren­ka­bi­nett‹ dürf­tig be­leuch­tet war.
    Zu­nächst ein­mal war der jun­ge Poet ent­täuscht, denn er hat­te ge­hofft, daß das Leucht­feu­er auf ei­ne Knei­pe hin­wei­sen wür­de. Und so­lan­ge noch et­was von dem mo­nat­li­chen Geld sei­ner El­tern in sei­nen Ta­schen klim­per­te, stand un­ser Poet mit dem Al­ko­hol auf du und du. Er zuck­te re­si­gniert die Ach­seln. Pech. Aber der Licht­schein deu­te­te we­nigs­tens auf Wär­me und Ge­bor­gen­heit hin – und viel­leicht wa­ren die Wachs­fi­gu­ren auch in­ter­essant …
    Er stieg die Stu­fen hin­un­ter und stieß ei­ne dunkle Tür auf. Ei­ne an­ge­neh­me Wär­me ström­te ihm ent­ge­gen.
    Er be­fand sich in ei­nem schwach er­leuch­te­ten Vor­raum und schau­te in die Rich­tung, aus der sich schlur­fen­de Schrit­te nä­her­ten.
    Ein klei­ner, fet­ter Mann mit ei­ner schmie­ri­gen Müt­ze tauch­te aus dem Hin­ter­grund auf. Er kas­sier­te drei Fran­cs Ein­tritt und drück­te mit ei­nem Ach­sel­zu­cken sein wort­lo­ses Er­stau­nen über einen Be­su­cher zu die­ser Zeit aus.
    Bert­rand hing sei­nen feuch­ten Man­tel über einen Ha­ken und rümpf­te un­be­wußt die Na­se. Die mod­ri­ge Luft, die ihm ent­ge­gen­ström­te und die sich jetzt mit dem spe­zi­el­len Ge­ruch ver­misch­te, der von feuch­ten Klei­dungs­stücken, die in einen war­men Raum kom­men, aus­geht, bil­de­te den ty­pi­schen ›Mu­se­ums­ge­ruch‹.
    Als Bert­rand jetzt auf die große Tür zu­ging, die zu der Aus­stel­lung führ­te, merk­te er, wie die Me­lan­cho­lie, die ihn im Ne­bel be­fal­len hat­te, nun vollends von ihm Be­sitz er­griff. Hier im Halb­dun­kel konn­te er sei­nen De­pres­sio­nen frei­en Lauf las­sen. Er er­ging sich in Selbst­mit­leid, hilflo­sem Zy­nis­mus, un­aus­ge­go­re­nen Ra­che­ge­dan­ken und wie­der in Selbst­mit­leid. Sein Geist sehn­te sich nach et­was Mor­bi­dem, sei­ne Ge­dan­ken schwam­men in ei­nem Meer von Ein­sam­keit … schwam­men in ei­nem Meer von Ein­sam­keit … das muß­te er sich un­be­dingt mer­ken. Er könn­te es viel­leicht ein­mal dich­te­risch ver­wer­ten …
    Mit ei­nem Wort: Un­ser Poet war ge­nau in der rich­ti­gen Stim­mung für ein Wachs­fi­gu­ren­ka­bi­nett. Und ganz be­son­ders für die­ses hier, das einen Streif­zug durch die Greu­el­ta­ten der Ge­schich­te dar­stell­te.
    Als Bert­rand ir­gend­wann ein­mal ei­ni­ges Geld bei­sam­men ge­habt hat­te, hat­te er in weib­li­cher Be­glei­tung das be­rühm­te Ka­bi­nett der Ma­da­me Tussaud auf­ge­sucht. Sei­ne Er­in­ne­run­gen an die­sen Be­such wa­ren et­was ver­schwom­men, denn er war da­mals mehr von dem Char­me der jun­gen Da­me als von den ver­blüf­fend ›le­ben­di­gen‹ Wachs­fi­gu­ren hin­ge­ris­sen ge­we­sen. Aber so­weit er sich

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