15 Gruselstories
bemerkt, wie?« murmelte er. »Der alte Kopf ist durch einen bedauerlichen Zwischenfall in die Brüche gegangen. Einer ihrer – ihrer Herren hat versucht, sie mit seinem Schirm anzustoßen. Dabei ist der Kopf leider heruntergefallen. Während ich ihn repariere, habe ich diesen Kopf hier als Ersatz genommen. Aber er beeinträchtigt den Gesamteindruck, wie?«
Als Oberst Bertroux seinen Blick langsam von der Statue löste, wandte sich der kleine grauhaarige Mann eilfertig an ihn.
»Ganz hübsch, nicht?« begann er. »Ich habe sie nach dem Ebenbild meiner Frau geformt, müssen Sie wissen.«
Dann folgte in aller Ausführlichkeit die ganze Schauergeschichte, die er Bertrand vor einer Woche erzählt hatte. Er verkaufte sie genauso schlecht und gebrauchte praktisch dieselben Worte.
Bertrand beobachtete, wie das Gesicht des Oberst im Verlaufe der Erzählung immer mehr Abscheu und eine aufkommende Übelkeit ausdrückte. Er fragte sich, ob er vor einer Woche denselben Gesichtsausdruck gehabt haben mochte.
Als der kleine Grauhaarige seine Geschichte beendet hatte, benahm sich der Oberst genauso, wie er, Bertrand, sich verhalten hatte. Er machte auf den Hacken kehrt und verließ eilig die Halle. Als Bertrand ihm folgte, spürte er den spöttischen Blick des kleinen Grauhaarigen in seinem Nacken. Sie gelangten auf die Straße und gingen schweigend nebeneinander her. Bertroux Gesicht hatte immer noch einen versonnenen Ausdruck. Als sie vor Bertrands Haus standen, wandte ihm der Oberst sein Gesicht zu. Seine Stimme klang tonlos.
»Ich fange an, dich zu verstehen, mein Junge. Ich werde dir mit meinen wohlgemeinten Ratschlägen nicht mehr auf die Nerven fallen. Ich fahre wieder zurück.«
Er drehte sich brüsk um und entfernte sich. Bertrand blickte dem Oberst, der eine betont aufrechte Haltung angenommen hatte, nachdenklich nach.
Er hatte mit keinem Wort das Wachsfigurenkabinett erwähnt. Keine Bemerkung über die Frau. Und doch wußte Bertrand, daß der Oberst sie ebenfalls liebte. Seltsam. Aber war nicht die ganze Sache mehr als seltsam? Fuhr der Oberst wirklich nur zurück – oder floh er?
Der fette Alte hatte seine Geschichte so heruntergerasselt, als hätte er sie auswendig gelernt. Ob das Ganze vielleicht nichts anderes als ein ausgemachter Schwindel war? Ein fauler Trick des Besitzers des Wachsfigurenkabinetts, um eine bestimmte Art Besucher zum Wiederkommen zu veranlassen?
Ja, so mußte es sein. Irgend jemand hatte dem Alten diese Wachsfigur verkauft, und er hatte sofort die Wirkung erkannt, die ihre lebensnahe Schönheit auf einsame Männer ausübt. Er hatte dann die Schauergeschichte von der krankhaft veranlagten Mörderin ausgetüftelt, damit die Anwesenheit dieser Frauenfigur in seinem Gruselkabinett gerechtfertigt war. Den Fall als solchen mochte es einmal gegeben haben, aber der grauhaarige Alte sah nicht so aus, als wenn er jemals der Ehemann einer Mörderin gewesen wäre. Nicht ihr Ehemann! Diese Geschichte war nichts weiter als ein Köder, um die Männer immer wieder anzulocken, damit sie ihr Geld bei ihm ließen. Als Bertrand mit seinen Überlegungen bei diesem Punkt angelangt war, rechnete er im Geist die Francs zusammen, die er innerhalb der letzten Wochen in das Museum getragen hatte. Es kam eine beachtliche Summe zusammen. Der Alte war gar nicht so dumm!
Dennoch, die eigentliche Attraktion ging von der Figur selbst aus. Sie war so atemberaubend schön, so lebendig und so verlockend, trotz oder gerade wegen ihrer Schlechtigkeit. Salome war eine rothaarige Hexe; aber Bertrand fühlte, daß er dicht davor stand, ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Er würde sehr bald ihr
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