15 Gruselstories
Sie wäre eine so gute Frau gewesen, müssen Sie wissen, so ruhig und sanft und lieblich … und Sie können mit ihren eigenen Augen sehen, wie schön sie gewesen ist. Und dann auf einmal zu entdecken, daß sie wahnsinnig war. Eine Mörderin!
Meine Frau – eine Mörderin! Und dann ihre Art zu morden … es war schrecklich.
Ich unternahm alles, was in meinen Kräften stand, denn – ich wollte sie immer noch. Ich liebte sie – trotz allem. Ich weiß, daß das schwer zu erklären ist. Mein Anwalt hat versucht, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren. Aber es war alles zwecklos. Sie wurde verurteilt und auf die Guillotine geschickt.«
Bertrand starrte den Alten an. Wie kann er die Geschichte so schlecht erzählen, dachte er. Der Stoff bietet hinreichende Möglichkeiten für eine Tragödie, und was macht er daraus? Eine Farce. Warum können die Menschen immer nur prosaisch denken?
»Meine Karriere als Arzt fand damit natürlich ein plötzliches Ende. Das war nach den Prozeßberichten in den Zeitungen auch nicht anders zu erwarten. Da ich nun einmal meine Existenz verloren hatte, mußte ich mich nach etwas Neuem umsehen. Nach einigen Überlegungen fing ich hiermit an …« Er machte mit der Hand eine weitausholende Bewegung.
»Ich hatte in den Jahren meiner Arzttätigkeit etwas Geld zurücklegen können. Aber nicht von meinem Einkommen als Arzt, sondern von meiner nebenberuflichen Betätigung. Ich stellte in meiner knappen Freizeit Wachsfiguren her, die die Universitäten für ihren medizinischen Anschauungsunterricht brauchten. Mit diesen Ersparnissen gründete ich mein Museum.
Sie können mir glauben, daß mich mein Unglück ganz schön aus dem Tritt gebracht hatte, und ich war nicht gerade in einer prächtigen Verfassung, als ich hier anfing. Da ich mich aber notgedrungen auf einmal mit dem Verbrechen habe beschäftigen müssen, nutzte ich diesen Umstand wenigstens für mich aus und blieb gleich dabei. Meine Erfolge auf diesem Gebiet können Sie hier gegen Eintrittsgeld bewundern.«
Der Alte machte den Versuch, arrogant zu lächeln, um zu demonstrieren, daß seine Gefühle, von denen er eben berichtet hatte, seit langer Zeit tot und begraben wären. Dann stieß er Bertrand in die Seite und fuhr mit betonter Lustigkeit fort:
»Und jetzt kommt das Schönste. Ich habe mir damals einen besonderen Gag ausgedacht, auf den ich heute noch stolz bin. Wollen Sie, daß ich es Ihnen erzähle, ja? Ich besorgte mir von den Behörden die Genehmigung, ins Leichenhaus gehen zu dürfen. Die Hinrichtung meiner Frau hatte sich so lange hinausgezögert, daß mein Geschäft hier inzwischen schon recht gut florierte. Ich war inzwischen mit der Technik völlig vertraut geworden. Als dann der Tag der Hinrichtung herankam und die Guillotine in Aktion getreten war, ging ich sofort ins Leichenhaus und fertigte vom Körper meiner Frau ein Modell an. Finden Sie nicht auch, daß das ein echter Gag ist, wie? Sie, die die Köpfe anderer hatte rollen lassen, war nun auch ihren eigenen losgeworden. Warum sollte ich also aus ihr nicht Salome machen? Johannes der Täufer wurde doch auch enthauptet, nicht wahr? Glauben Sie mir, das war ein köstlicher Spaß!«
Das Gesicht des kleinen Alten war eingefallen. In seine wässrigen grauen Augen trat plötzlich ein unnatürlicher Glanz.
»Aber vielleicht war es doch nicht ganz so lustig, Monsieur . Um ehrlich zu sein, muß ich sagen, daß ich es damals einzig und allein aus Revanche tat. Ich haßte sie, weil sie mein Leben zerstört hatte, ich haßte sie, weil ich sie trotz ihrer ungeheuerlichen Taten immer noch liebte. Ich fand meine damalige Handlungsweise überhaupt nicht lustig – aber sie verschaffte mir eine
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