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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zurückzubehalten.
    „Woher hast du dieses Dschizdan?“ fragte ich ihn.
    „Es gehört mir“, antwortete er.
    „Wer hat diese Blätter beschrieben?“
    „Ich.“
    „Welche Sprache ist das denn?“
    „Das ist – das ist – das ist …“
    „Persisch, nicht wahr?“
    „Ja.“
    „So will ich dir sagen, daß diese Schrift nur in Alemanja geschrieben wird. Hier, lies mir einmal vor, was auf dieser Seite steht!“
    Er befand sich in der größten Verlegenheit.
    „Oh, du kannst es nicht lesen! Dieses Dschizdan gehört einem Mann, welcher sich Madi Arnaud nennt. Ich werde dafür sorgen, daß er es wieder erhält. Was dich betrifft, so hast du Strafe verdient; doch soll es auf dich ankommen, ob ich Gnade walten lasse. Gestehst du offen, daß du diese Brieftasche widerrechtlich an dich gebracht hast, so soll dir die Strafe erlassen sein. Also rede jetzt! Gehört sie wirklich dir?“
    Die Antwort fiel ihm schwer; aber der Ferman hatte einen großen Eindruck gemacht. Er hielt mich jetzt für einen großen Herrn, den er zu fürchten hatte; darum stieß er endlich zögernd hervor:
    „Nein; sie gehört ihm.“
    „Weißt du, wohin er gereist ist?“
    „Nach Ismilan.“
    „Gut, es sei dir vergeben; aber ich mache die Bedingung, daß du einem jeden der Anwesenden jetzt diesen Topf voll Zwetschgenbranntwein schenkst. Du würdest die Bastonade erhalten und viele Wochen eingesperrt werden. Willst du?“
    „Ja“, knurrte er grimmig.
    Da griff der kleine Kiaja mit solchem Eifer nach meiner Hand, daß er das Tintenfaß umstieß, und sagte:
    „Herr, deine Güte ist groß, deine Weisheit aber noch viel größer! Du bestrafst ihn, indem du uns Wohltat erweist. Dein Andenken wird bei uns nie vergessen werden!“
    „So macht euch meiner Güte nicht unwürdig und genießt den Trank – euch allen zur Freude und zur Besserung.“
    Die mißhandelte Magd war nicht mit in die Stube gegangen. – Ich ging hinaus zu ihr – sie saß noch auf dem Stroh. Ich teilte ihr mit, daß ihr Herr den Diebstahl eingestanden habe; das erregte ihre Besorgnis.
    „Herr, nun wird es mir sehr schlimm ergehen“, sagte sie.
    „Er weiß nicht, daß du es mir gesagt hast. Aber warum bleibst du bei ihm, wenn er ein so böser Herr ist?“
    „Ich muß. Er hat mir dreißig Piaster Lohn vorausgezahlt; ich brauchte das Geld für meine Mutter und kann nun nicht eher zu einem andern Herrn gehen, als bis ich diesen Vorschuß abgedient habe.“
    „Ich werde dir das Geld geben. Wirst du dann gleich bei einem andern Dienst finden?“
    „O gleich! Aber er wird mich doch nicht sofort gehen lassen.“
    „Er wird, denn ich befehle es ihm.“
    „Herr, wie soll ich dir danken?“
    „Sei still! Du hast für deine Mutter gesorgt; das hat mich erfreut. Ehre sie auch fernerhin, denn wer die Eltern liebt und achtet, auf dem ruht Allahs Wohlgefallen.“
    Ich gab ihr die kleine Summe und noch ein weniges darüber. Sie machte ein ganz anderes Gesicht als der Wirt, mit dem ich dann an der Haustür zusammentraf. Er ging, um den Krug zu füllen, und sagte:
    „Herr, es war nicht nötig, all diesen Leuten Zwetschgenbranntwein zu geben. Hätte der Kiaja solchen erhalten, so wär es genug.“
    „Meinst du? Ich will dir sagen, daß keiner von euch allen einen Para wert ist. Dein Zwetschenbranntwein ist aber noch schlechter als du selbst. Indem ihr ihn trinken müßt, bestrafe ich euch, und ich werde mit Vergnügen an seine Wirkung denken. Jetzt aber habe ich noch ein Wort wegen deiner Magd mit dir zu reden. Ich rate dir, sie zu entlassen.“
    „Sie ist mir Geld schuldig.“
    „Sie wird dich bezahlen.“
    „Hast du es ihr gegeben?“
    „Ja.“
    „So mag sie gehen. Ich will sie nicht mehr sehen, denn sie ist schuld an allem, was geschehen ist.“
    „So erkläre ihr das drin vor allen Anwesenden.“
    „Das ist nicht notwendig!“
    „O, ich halte es im Gegenteil für sehr notwendig, denn ich traue dir nicht. Ich werde nicht eher von hier fortschreiten, als bis auch sie fortgegangen ist.“
    „Ich habe gesagt, daß sie gehen kann. Hälst du mich für einen Lügner?“
    „Ja. Du bist ein Dieb und ein gewalttätiger Mensch. Ich bin überzeugt, daß du auch lügen kannst.“
    „Das sollte mir ein anderer sagen! Aber ich will es dulden. Ich erleide zwar großen Schaden, aber ich bin überzeugt, daß du mir meine Flinte, die du mir verdorben hast, bezahlen wirst.“
    „Meinst du? Bist du ein Moslem?“
    „Ich bin ein armenischer Christ.“
    „So schäme dich! Der,

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