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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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den du bestohlen hast, war auch ein Christ. Das macht deine Tat noch nichtswürdiger. Ihr Christen solltet für die Moslemim die Leuchte aller Tugenden sein; was aber seid ihr ihnen in Wirklichkeit? Ich will dir keine Predigt halten, denn sie würde ja doch nutzlos sein; eins aber sage ich dir: Ich bezahle weder dein Schießgewehr, noch den Raki, den ich bestellt aber nicht getrunken habe. Für das Futter meines Pferdes sollst du fünf Piaster haben. Hier sind sie, und damit sind wir miteinander fertig!“
    Er nahm das Geld, ohne ein Wort zu entgegnen, und entfernte sich. Ich setzte mich auf einen Stein, welcher in der Nähe der Tür lag, und wartete. Es dauerte gar nicht lange, so kam die Magd, mit einem kleinen Bündel in der Hand. Sie sagte mir, daß sie den Herrn bezahlt und dann ihren Laufpaß erhalten habe, und verabschiedete sich von mir unter aufrichtig gemeinten Dankesworten.
    Nun verließ auch ich den Ort, der mir fast gefährlich hätte werden können. Es hatte sich zuletzt niemand um mich gekümmert. Man war ja mit dem Raki beschäftigt. Indem ich also ohne Gruß davonritt, dachte ich mit Vergnügen an die Möglichkeit, daß die Geister des Zwetschgenfusels meine Absicht verstehen könnten. So eine intime Abwalkerei untereinander konnte den Bewohnern dieses traulichen Hans gar nichts schaden.
    In Topoklu fand ich ein anderes Han, dessen Besitzer ein Türke war. Hier herrschte Reinlichkeit, und es gab einen guten Kaffee, und da der Weg von Stajanowa da vorüberführte, so blieb ich hier, um auf meine Gefährten zu warten.
    Ich hatte geglaubt, daß sie erst gegen Abend Topoklu passieren würden; aber es war noch am Nachmittag, als ich sie vorüberreiten sah. Ich bezahlte, was ich genossen hatte, und holte sie schnell ein. Sie wunderten sich nicht wenig, mich hier zu sehen, da ich ja die Absicht gehabt hatte, nach Palatza zu reiten. Als ich ihnen dann erzählte, was mir begegnet war, bedauerte es Halef sehr, nicht dabei gewesen zu sein.
    Sie hatten gar nicht geschlafen und waren mit Tagesgrauen aufgebrochen. Ihre Pferde waren von dem weiten Ritt sehr ermüdet; bis Ismilan aber konnten sie es aushalten, und da sollte es eine längere Ruhe für Menschen und Tiere geben.
    Als wir am Ziel ankamen, fragten wir nach dem Kaffeehaus des Waffenschmiedes Deselim. Wir erfuhren, daß es nicht nur Kaffeehaus, sondern auch Han sei, und daß sehr viele Reisende da über Nacht blieben.
    Es war gewiß nicht ungefährlich, im Haus des Mannes, der meinetwegen den Hals gebrochen hatte, abzusteigen; aber dieser Unglücksfall war ja hier noch nicht bekannt, und da Deselim der Schwager des Schut gewesen, so erwartete ich, daß unsere Flüchtlinge auch bei ihm eingekehrt seien. Vielleicht war da etwas für uns Vorteilhaftes zu erfahren.
    Das Haus stand in der bereits erwähnten Gasse. Es hatte einen ziemlich großen Hof mit Stallungen und einem niedrigen Gebäude, in welchem sich die für die Fremden bestimmten Schlafräume befanden. Es waren dies kleine Stuben mit ganz urwüchsigen Lagerstätten. Decken und dergleichen Dinge hatte der Reisende selbst mitzubringen.
    Als wir von den Pferden stiegen, kam ein finster dreinblickender Mensch und fragte, ob wir da übernachten wollten. Auf meine bejahende Antwort meinte er:
    „Da müßt ihr im offenen Hof schlafen. Die Räume sind alle besetzt. Es ist kein Platz vorhanden.“
    „Auch für solche Leute nicht?“
    Bei dieser Frage deutete ich auf meine Koptscha. Ich war neugierig, ob dies eine Wirkung hervorbringen werde.
    „Ah, ihr seid Brüder“, antwortete er schnell. „Das ist etwas anderes; da wird Platz gemacht. Aber ihr müßt zu zweien schlafen, da ich nur zwei Stuben frei machen kann.“
    Wir waren natürlich einverstanden und folgten ihm in den Hof, um unsere Tiere gut unterzubringen. Während dieser Arbeit war es mir, als ob ich aus der Ferne einen hier nicht gewöhnlichen Gesang vernähme; doch achtete ich nicht darauf. Wir wurden zunächst in die allgemeine Kaffeestube gewiesen, wo wir die angenehme Mitteilung empfingen, daß wir zufälligerweise einen frischen Pillaw mit Huhn bekommen konnten. Das wurde akzeptiert.
    Es befand sich außer uns kein Gast in der Stube, und der junge Mensch, welcher uns bediente, schien das Sprechen für eine Sünde zu halten. So aßen wir schweigend und ungestört. Dann kam der Mürrische, welcher uns empfangen hatte, um uns nun unsere Stuben anzuweisen.
    „Ihr habt die Koptscha“, sagte er, „und ich möchte gern mit euch reden; aber ich

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