15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
von Menlik! Und drei waren es? Hast du sie genau angesehen?“
„Natürlich! Ich habe ja fast sechs Stunden mit ihnen gespielt.“
Es stieg nämlich die Ahnung in mir auf, daß die drei Diebe mit den Männern, welche wir suchten, identisch seien. Darum fragte ich weiter:
„So hast du auch die Pferde in Augenschein genommen?“
„Ja. Es waren drei Schimmel.“
„Peh ne güzel – wie schön, wie schön!“ entfuhr es dem kleinen Halef. „Sihdi, ich habe es sofort geahnt, sofort!“
„Ja, du bist ein scharfsinniger Freund und Beschützer deines Herrn.“
„Was hat er geahnt, was?“ fragte der Wirt schnell.
„Etwas, was dich später wohl auch noch interessieren wird“, antwortete ich ihm. „Zunächst bitte ich dich, mir weitere Auskunft zu erteilen.“
„Betrifft es die Leute, welche mich bestohlen haben?“
„Du hast es erraten.“
„So frage mich nur! Ich werde dir sehr gern alles sagen, was du wissen willst.“
Sein Gesicht nahm einen ganz anderen Ausdruck an. Die Worte des kleinen Hadschi hatten ihn auf die Vermutung gebracht, daß wir in irgendwelcher Beziehung zu den Dieben ständen, und er war nun sehr gespannt, das weitere zu hören. Man sah es ihm an, daß ihn jetzt eine, wenn auch nur unbestimmte Hoffnung zu erfüllen begann.
„So waren sie also schon fort, als du den Verlust des Geldes entdecktest“, meinte ich. „Fiel denn dein Verdacht sofort auf sie?“
„Nein. Ich weckte natürlich sogleich alle meine Leute auf und fragte sie aus. Sie alle sind ehrliche Menschen, und es gibt keinen unter ihnen, dem ich eine solche Tat zutraue. Ich suchte bei allen nach, ohne etwas zu finden, was nur den geringsten Verdacht erwecken konnte. Dann erst dachte ich an die drei Fremden. Ich fragte nach ihnen und erfuhr nun von dem Taglöhner, daß der eine grad zu der Zeit, in welcher ich das viele Geld in meine Schlafstube getragen hatte, hinter dem Haus gewesen sei.“
„Aber der Diebstahl kann doch nicht zu dieser Zeit, sondern er muß später ausgeführt worden sein!“
„Natürlich. Das sage ich mir auch.“
„Und mir scheint, daß auch nicht ein einzelner Mann genügt hat, sich des Geldes zu bemächtigen. Es haben wenigstens zwei dazugehört. Kannst du dich denn nicht besinnen, ob sich einmal zwei zugleich entfernt haben?“
„Sehr genau sogar. Zunächst ist mir das gar nicht aufgefallen; erst später dachte ich daran.“
„Ist das früh oder spät geschehen?“
„Noch bevor die Meinen schlafen gingen.“
„Deine Familie schläft bei dir im Zimmer?“
„Natürlich, alle.“
„So mußte der Diebstahl allerdings ausgeführt werden, bevor sie sich zur Ruhe legten. Die Diebe haben sich das sehr wohl überlegt. Wie aber haben sie es angefangen, euch alle abzuhalten, sie zu erwischen?“
„Der eine von ihnen begann, uns Kartenkunststücke zu zeigen. Da mir dieselben so wohl gefielen, erlaubte er mir, alle meine Leute herbeizuholen. Während er uns so prächtig unterhielt, entfernten sich die beiden andern, was mir aber gar nicht aufgefallen ist. Erst als sie zurückkamen, sagte er, daß er uns nun alles gezeigt habe, was er könne. Dann gingen die Leute wieder fort, und wir spielten weiter.“
Es darf keineswegs wunder nehmen, daß hier in dem entlegenen türkischen Dorf gespielt worden war. Ich hatte schon oft in der Türkei Karten spielen sehen. Ja, ich war Zuschauer von Kartenkünstlern gewesen, welche sich vor keinem der Unsrigen zu schämen brauchten. Das waren fast stets Griechen oder Armenier gewesen. Der eigentliche Türke hat nicht die Geduld, welche dazu gehört, sich durch lange Übung die nötige Gewandtheit anzueignen. Also erstaunt war ich nicht im mindesten über die Tatsache, daß hier in der Herberge von Dabila dergleichen Kartenkunststücke ausgeführt worden seien; aber neugierig war ich, zu erfahren, welcher von den dreien sich als Künstler hatte sehen lassen.
Ich ließ mir den Mann von dem Wirt beschreiben und gelangte zu der Ansicht, daß der mitentflohene Gefängnisschließer es gewesen sei. Folglich mußten Manach el Barscha und Barud el Amasat den Diebstahl miteinander ausgeführt haben, und es war natürlich anzunehmen, daß der Schließer von ihrem Vorhaben unterrichtet gewesen sei.
„Also nach Aussuchung und Verhörrung der Deinen bist du zu der Überzeugung gelangt, daß die Fremden die Diebe gewesen seien?“ fragte ich weiter. „Was hast du dann getan?“
„Ich habe ihnen meine sämtlichen Knechte beritten nachgeschickt.“
„So! Warum
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