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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wirt musterte mich mit prüfendem Blick.
    „Effendi“, fragte er, „bist du wirklich ein Christ?“
    „Ja. Warum fragst du?“
    „Wenn du nicht ein Christ wärest, so würde ich meinen, du seist ein Beamter der Polizei.“
    „Es gibt auch Khawassen, welche nicht Moslemim sind.“
    „Ein gewöhnlicher Khawaß würdest du nicht sein, sondern einer von den hohen Zabtieh. Und bei denselben werden, soviel ich weiß, keine Christen angestellt.“
    „Warum hast du denn eine so große Lust, mich für einen Polizisten zu halten?“
    „Deine Person paßt dazu, und du sprichst wie einer, welcher alles ganz genau weiß, bevor er es gesagt bekommt. Auch deine Begleiter passen sehr genau zu dieser meiner Vorstellung. Siehe nur diese beiden an!“ – Er zeigte dabei auf Osco und Omar Ben Sadek. – „Wie ernst und gewichtig sie dreinschauen! Ihnen steht die Würde ihres Berufes im Gesicht geschrieben. Und hier der Kleine!“ – Er deutete auf Hadschi Halef Omar. – „Sieht er nicht aus wie die verkörperte Zabtieh? Diese listigen Augen und dieses pfiffige Lächeln! Tut er nicht ganz so, als ob er die ganze Welt arretieren könne, wenn er nur wolle?“
    Die drei Genannten lachten laut auf. Ich aber antwortete ernst:
    „Du irrst. Wir sind einfache Reisende, welche, wie jeder andere, auf den Schutz der Polizei angewiesen sind. Aber wir sind durch viele Länder und Gegenden gekommen und haben mehr gesehen und erfahren, als tausend andere. Darum fällt es uns nicht schwer, uns in deine Angelegenheit hineinzudenken. Wer stets daheim sitzen bleibt, dessen Sinn bleibt gar leicht ein beschränkter, und passiert ihm einmal etwas Ungewöhnliches, so weiß er sich nur schwer zurechtzufinden.“
    „Das mag richtig sein, und – aber da bringt man euch euer Essen. Das sollt ihr ohne Störung genießen. Wir können dann, wenn ihr fertig seid, über meine Angelegenheit weitersprechen. Wünscht ihr vielleicht, daß ich euren Pferden Wasser und Futter gebe? Ich habe schönen Mais, welcher gut geschrotet ist.“
    „Ja, gib ihnen von demselben, und sage einem Knecht, er soll ihnen die Sattelung abnehmen und sie sodann mit Wasser begießen. Das wird sie erfrischen. Sie haben uns von Edreneh bis hierher getragen, ohne nur einmal recht ausruhen zu können.“
    „Ich habe nicht weit hinter dem Haus einen schönen Fischteich, dessen Wasser hell und sauber ist. Wünschst du, daß die Knechte eure Pferde hineintreiben?“
    „Ich lasse sie bitten, es zu tun.“
    Der Mann schien trotz des Schmutzes, welcher fußhoch seinen Hof bedeckte, ein unternehmender und für die hiesigen Verhältnisse auch tüchtiger Landwirt zu sein. Die ihm gestohlenen 100 Pfund, nach deutschem Geld 1.850 Mark, waren der Preis für nur einen Teil seiner vorjährigen Tabaksernte. Er war jedenfalls recht wohlhabend. Und daß er sogar einen Fischteich angelegt hatte, das bewies, daß er den ihm gehörigen Grund und Boden trefflich auszunutzen verstand.
    Außerdem wußte er auch anders als der große Haufen der dortigen Einwohner zu leben. Davon sollte ich sogleich einen Beweis erhalten, als welchem ich zugleich ersah, daß er uns nicht für ganz gewöhnliche Reisende hielt.
    Das Essen wurde uns von zwei recht sauber gekleideten Burschen hereingebracht. Es bestand aus mehreren großen, dampfenden und appetitlich duftenden Eierkuchen, zu welchen in Essig gelegte und mit Pfeffer gewürzte Melonen und andere frische Früchte gegeben wurden. Die Speisen lagen, wie ich zu meiner Bewunderung sah, auf reinlichen, weißen Steinguttellern, und nur die große Melonenschüssel war aus gelbem Ton gebrannt.
    Der Wirt beobachtete, ob uns alles auch bequem serviert werde, und befahl dann, als uns sogar ein Körbchen vorgesetzt worden war, welches Messer, Gabeln und Löffel enthielt:
    „Geht zur Herrin und sagt ihr, sie solle euch vier Servietten und ebenso viele Handtücher geben. Die Männer, welche hier speisen, sind weit gereiste und vornehme Herren. Sie sollen nicht sagen, daß sie beim Konakdschy Ibarek schlecht bedient worden sind.“
    Also Ibarek hieß der aufmerksame Mann, welcher sogar Servietten besaß! Ich war überzeugt, daß es uns allen hier recht gut munden werde. Er entfernte sich, um den Knechten die erwähnten Befehle zu erteilen. Dann wurden uns die Servietten und Handtücher gebracht, welch letztere mir allerdings überflüssig zu sein schienen; Handtücher zu den Servietten werden selbst in einem abendländischen Gasthof ersten Ranges wohl kaum gereicht.
    Als

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