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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hinaus!“ sagte ich, indem ich die Stube verließ.
    Sie folgten mir um das Haus herum.
    „Hast du schon außen am Fenster gesucht?“ fragte ich den Wirt.
    „Nein. Wie hätte ich auf diesen Gedanken kommen sollen! Der Schrank hat im Zimmer gehangen. Dort ist der Diebstahl geschehen; was soll da hier zu finden sein?“
    „Vielleicht sucht man doch nicht so vergebens, wie du denken magst. Wir wollen sehen! Aber überlaßt das mir; kommt dem Fenster nicht zu nahe. Ihr könntet mir die Spuren verderben.“
    Als ich den Platz vor dem Fenster erreichte, blieben die beiden andern ein wenig rückwärts stehen. Hart an der Mauer wucherte ein üppiges Brennesselgestrüpp. Grad unter dem Fenster war es niedergetreten.
    „Schau!“ sagte ich. „Da siehst du, daß jemand aus dem Fenster gestiegen ist.“
    „Aber wohl schon vor längerer Zeit. Vielleicht ist's einer meiner Knaben gewesen.“
    „Nein. Ein Knabe war es nicht, denn ich sehe hier die Spur eines großen Männerstiefels in dem weichen Boden. Und vor längerer Zeit war es auch nicht. Die geknickten Nesseln sind nicht verwelkt; sie hängen nur matt ihre Blätter. Ich schätze, daß sie erst gestern abend geknickt wurden. Auch die Fußspuren sind frisch. Die hohen dünnen Kanten der Eindrücke müßten trocken sein, wenn die Spuren alt wären.“
    „Wie du das so wissen kannst!“ meinte der Wirt ganz erstaunt.
    „Um das zu wissen, braucht man nichts als ein offenes Auge und ein wenig Nachdenken. Schau her! Hier erblickst du die Stelle, an welcher das Schränkten gestanden hat. Es ist jedenfalls von dem feuchten Boden beschmutzt, von den klugen Dieben aber trotz der Dunkelheit wieder hübsch abgewischt worden.“
    „Woher weißt du denn auch dieses?“
    „Daher, daß ich keine Spur von Schmutz an dem Schränkchen gesehen habe; das ist doch sehr einfach. Wollen weiter sehen!“
    Ich suchte am Boden. Vergebens. Jetzt zog ich mein Messer und hieb die Brennesseln hart an der Erde ab. Nachdem ich sie entfernt hatte, betrachtete ich mir nun die leere Stelle. Zwischen den Stoppeln konnte etwas liegen. Ich hatte ganz richtig vermutet. Von zwei Punkten glänzte es mir goldig entgegen. Ich hob die beiden Gegenstände auf. Es war ein dünner Fingerreif mit einem Türkis und ein starker, goldener Ohrring von fast anderthalb Zoll Durchmesser; so groß werden sie in der dortigen Gegend von den Frauen getragen.
    „Nun, schau“, sagte ich zu dem Wirt. „Hier ist den Spitzbuben doch etwas entfallen. Kennst du diese Ringe?“
    „Ah! Sie gehören meiner Frau. Ob nicht das andere Ohrgehänge auch da ist?“
    „Hilf suchen!“
    Aber alle Mühe war vergeblich. Es fand sich weiter nichts. Wir wußten nun, wie der Diebstahl ausgeführt worden war. Die Spitzbuben hatten befürchtet, daß der Lärm gehört würde. Darum war der eine von ihnen aus dem Fenster gestiegen, um das Schränkchen, welches der andere ihm nachgereicht hatte, draußen zu öffnen.
    Was nun noch zu verhandeln war, konnten wir drinnen besprechen; darum wollten wir uns jetzt wieder hinein in das Zimmer begeben. Vorher aber gingen wir für einige Augenblicke zu unsern Pferden.
    Sie waren bereits aus dem Teich herausgeführt und wieder gesattelt. Sie standen mit vorgebundenen Maulsäcken am Ufer und fraßen den für sie delikaten geschroteten Mais. Ich sagte den Knechten, daß sie die Tiere hier lassen könnten, wo trotz der Nähe des Teiches nicht so viele Fliegen und Mücken waren, wie auf dem schmutzigen Hof. Und es war ein Glück, daß ich auf diesen Einfall kam, wie sich sehr bald zeigen sollte.
    Wir waren nämlich kaum in die Stube getreten und schickten uns eben an, wieder an dem Tisch Platz zu nehmen, so sahen wir zwei Reiter in den Hof kommen. Sie sahen nicht eben reputierlich aus. Die Pferde taugten nichts und waren außerdem sichtlich abgetrieben, alte Mähren, für welche ich nicht fünfzig Mark geboten hätte. Und die beiden Männer paßten zu ihren Tieren, so zerlumpt und herabgekommen sahen sie aus.
    „Du bekommst neue Gäste“, bemerkte Halef dem Wirt.
    „An dieser Sorte liegt mir nicht“, antwortete dieser. „Ich werde sie fortweisen.“
    „Darfst du denn das, da du ein Einkehrhaus besitzt?“
    „Wer will mir verwehren, jemand fort zu weisen, der mir nicht willkommen ist?“
    Er wollte hinausgehen, um seinen Vorsatz auszuführen. Ich aber hielt ihn am Arm zurück.
    „Halt!“ sagte ich. „Laß sie herein!“
    „Warum?“
    „Ich muß wissen, was diese Leute reden.“
    „Kennst du sie

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