Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
habe ihn gesehen. Heute nacht entführte mich der Engel Allahs der Erde und erhob mich zu den Seligkeiten. Tief unter mir lag die Hölle mit ihren glühenden Abgründen. Drin sah ich unter vielen auch deinen Mann. Er war an einen Felsen gefesselt. Höllisches Ungeziefer nagte an seinem Leib, und spitze Flammen leckten in sein Gesicht. Ich hörte ihn vor Schmerz brüllen. Er sah mich hoch über sich schweben und bat mich, dir zu sagen, daß die Pfähle, welche in seiner Nähe in den Fels geschlagen waren, für dich und deine Brut bestimmt seien.“
    Er hielt inne. Die Frau weinte.
    Am liebsten hätte ich den Kerl mit der Faust zu Boden geschlagen, doch verhielt ich mich ruhig. Halefs Hand lag am Griff seiner Peitsche, und sein Blick flog zwischen mir und dem Heiligen hin und her. Ich hätte nur leise zu nicken gebraucht, so hätte der kleine Hadschi den berühmten Mann nach Noten durchgewalkt.
    „Und nun noch eins!“ fuhr dieser fort. „Du bist bei der Polizei gewesen?“
    Die Frau senkte den Kopf.
    „Ich soll dir Schadenersatz leisten. Ich soll dir Geld geben, weil dein Knabe sich bei meiner Wohnung umherschleicht. Tue noch einen einzigen solchen Schritt, so sende ich dir alle Geister der Finsternis zu, daß sie dich peinigen, bis du deine ungläubige Seele von dir gibst. Merke dir das!“
    Er drehte sich ab und schritt von dannen.
    „Allah l' Allah!“ knirschte Halef. „Effendi, bist du ein Mensch?“
    „Ich denke es.“
    „Ich bin auch einer. Gib mir die Erlaubnis, diesem Schurken nachzueilen und ihm das dicke Fell nach Gebühr zu peitschen.“
    „Um Allahs willen, schweig!“ warnte ihn der Türke.
    „Schweigen! Wer könnte dazu schweigen?“
    „Er hört jedes deiner Worte.“
    „Lächerlich!“
    „Schau hin! Dort sitzt sein Diener.“
    Er deutete nach einem dürren Baum, auf dessen Ast eine Krähe saß.
    „Bist du des Satans?“ antwortete Halef.
    „Nein, dieser Vogel ist ein Geist, welchem er befohlen hat, uns zu belauschen und ihm dann jedes Wort mitzuteilen.“
    „Und ich sage dir, daß dieser Vogel eine ganz gewöhnliche Krähe ist!“
    „Du irrst. Siehst du denn nicht, wie neugierig sie zu uns herunterblickt?“
    „Natürlich! Diese Vögel sind neugierig. Ich hätte Lust, ihr eine Kugel zu geben.“
    „Tue das ja nicht! Es wäre dein Tod.“
    „Unsinn!“
    „Der Schuß würde nicht den Vogel, sondern dich selbst treffen.“
    „Meine Flinte schießt nicht verkehrt.“
    Halef griff auch wirklich nach seinem Gewehr. Da aber eilten die beiden Frauen voll Angst zu ihm und baten ihn, ja nicht zu schießen, da er nicht nur sich, sondern uns alle unglücklich machen würde.
    „Aber habt ihr denn gar kein Gehirn, ihr Weiber?“ rief er zornig.
    „Du mußt uns glauben, du mußt!“ bat die Pflanzensammlerin.
    „Auch andere sind so unvorsichtig und tollkühn gewesen, wie du. Sie haben es bitter bereut.“
    „So! Was ist denn mit ihnen geschehen?“
    „Sie sind krank geworden – – –“
    „Zufall!“
    „Der eine wurde sogar toll – – –“
    „Das hat bereits vorher in ihm gesteckt.“
    „Und einige starben – – –“
    „Weil der Tod bereits vorher an ihrem Leben nagte.“
    „O nein, sondern weil sie sich an den Vögeln des Heiligen vergriffen.“
    Da sich die Aufmerksamkeit in dieser Weise auf den kleinen Hadschi richtete, war ich unbeachtet. Ich trat hinter mein Pferd, legte den Stutzen auf den Vogel an und drückte los.
    Die Frauen kreischten auf vor Entsetzen. Meine Kugel hatte die Krähe durchbohrt und augenblicklich getötet. Der Vogel lag unter dem Baum, ohne zu zucken.
    „Effendi, was hast du getan!“ rief der Türke. „Das kann dich deine Seligkeit kosten!“
    „Laufe hin!“ antwortete ich ihm. „Stopfe dem Vogel alle Öffnungen zu, damit der Geist nicht heraus kann! Dann gibt es unter den Geisterleichen, welche du mir zeigen willst, eine mehr. O, was seid ihr doch für dumme Menschen.“
    Halef war von seinem Pferd gesprungen und brachte die Krähe herbei. Sie war voll von Ungeziefer. Er zeigte das dem Türken und den Frauen und sagte:
    „Wenn der Mübarek die ihm dienenden Geister nicht einmal von den Läusen befreien kann, so kann er überhaupt gar nichts. Schämt euch! Habt ihr jemals von einem Geist gehört, welcher Läuse hatte? Wo steht das geschrieben? Etwa in den Büchern der Christen? Der Prophet hat, so oft er von den Geistern sprach, niemals erwähnt, daß sie gereinigt werden müssen.“
    Dieser Beweis, daß die Krähe kein Geist sei, war

Weitere Kostenlose Bücher