15 Tante Dimity und die Geister am Ende der Welt (Aunt Dimity Down Under)
kannte– und ich kannte sie gut–, würden sie meine Familie mit Annehmlichkeiten verwöhnen, die man sonst nur in Fünf-Sterne-Hotels bekam. Das Cottage würde täglich geschrubbt werden, die Wäsche von Hand gewaschen, und meine Männer würden kulinarisch so verwöhnt werden, dass sie danach nie mehr mit meinen Kochkünsten zufrieden wären.
» Ihre Ausgaben«, schloss Mr Makepeace, » werden Ihnen selbstverständlich voll erstattet.«
» Um Geld geht es nicht«, sagte ich mit einer ablehnenden Geste. » Ich habe Pflichten, Mr Makepeace. Ich kann nicht alles stehen und liegen lassen und mich wegen einer Laune auf eine Weltreise begeben. Meine Familie braucht mich.«
Der rundliche Anwalt beugte sich vor und sah mich mit gebührendem Ernst an.
» Sie würden diese Reise nicht wegen einer Laune antreten«, sagte er leise. » Sie würden meinen Mandantinnen einen Herzenswunsch erfüllen. Sie möchten vor ihrem Tod mit dem einzigen Verwandten in Kontakt treten, den sie noch haben. Sie möchten die Brücke wieder aufbauen, bevor es zu spät ist. Ms Shepherd, ich möchte behaupten, dass die Pyms Sie nötiger brauchen als Ihre Familie.«
Es kam mir vor, als hätte er mir ein Messer in die Brust gestoßen.
» Ich muss mit meinem Mann und meinen Söhnen darüber sprechen«, murmelte ich mit gesenktem Blick.
» Selbstverständlich«, sagte Mr Makepeace. » Aber bitte, beeilen Sie sich. Den Schwestern Pym bleibt vielleicht nicht mehr viel Zeit.« Er nahm die schwarze Ledermappe und reichte sie mir. » Meine Mandantinnen haben mich autorisiert, Ihnen Papiere zu überreichen, durch die Sie in dieser Angelegenheit als ihr juristischer Vertreter handeln können. Sie haben auch einen Brief an ihren Neffen geschrieben und hoffen, dass Sie ihn persönlich zustellen können, Ms Shepherd. Wenn Sie es wünschen, wird Mrs Abercrombie für Sie die Reisevorbereitungen übernehmen. Wir können das sehr kurzfristig erledigen.«
Ich steckte die Mappe in meine Schultertasche und versprach Mr Makepeace, dass ich ihm bis zum Abend meine Entscheidung mitteilen würde. Er dankte mir für mein Kommen und führte mich zur Doppeltür. Auf dem Treppenabsatz drehte ich mich noch einmal zu ihm um.
» Sicher war es der Brief, den Ruth und Louise gefunden haben– der, den ihr Bruder an ihre Mutter schrieb–, der ihre Herzen so in Aufruhr versetzt hat«, sagte ich.
» Sicherlich«, sagte Mr Makepeace. » Aber wenn Sie ihren Neffen finden, können ihre Herzen vielleicht wieder ruhiger schlafen.«
Erst als ich den Motor des Minis anließ, fiel mir mein voreiliger Schwur vom Vorabend wieder ein. Nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich mir vorgestellt, dass ich bis ans Ende der Welt würde reisen müssen, um dem Wunsch der Pyms nachkommen zu können.
Dass ich die Reise machen würde, stand bereits fest– ich spürte schon fast Bills Hand im Kreuz, mit der er mich zur Haustür hinausschob, und hörte die Stimme von Willis senior, die mich drängte, meine Pflicht zu tun– aber ich würde nicht allein fahren.
» Ich hoffe, du bist auf eine längere Reise eingerichtet, Dimity«, murmelte ich, » denn so, wie es aussieht, werden du und ich nach Neuseeland fliegen.«
6
Einige Zeit später erblickten meine Augen, die lange genug in die Finsternis der Tasmanischen See gestarrt hatten, Aucklands blinkendes Lichtermeer durch die Flugzeugluke.
» Endlich«, murmelte ich heiser.
Ich hatte kein Gefühl mehr dafür, wie viel Zeit vergangen war, seit mich Bill in Heathrow abgesetzt hatte. Laut meines Reiseplans hatte ich 24 Stunden damit verbracht, den Atlantik zu überqueren, den nordamerikanischen Kontinent und den Pazifik, dazu vier Stunden, die ich bei einem Zwischenstopp in Los Angeles totschlagen musste, aber irgendwie hatte ich zwei Tage verloren, als wir die internationale Datumsgrenze überflogen, und nun war meine zeitliche Orientierung völlig dahin. Ich fühlte mich, als hätte ich den größten Teil meines Erwachsenenlebens in der ersten Klasse eines Flugzeugs von Air New Zealand verbracht. Bei dem Gedanken, wie es mir in der Touristenklasse ergangen wäre, schauderte es mich.
Als ich den Blick vom Fenster abwandte, sah ich in das lächelnde Gesicht von Serena, meiner eleganten und viel zu munteren Stewardess. Ihre klaren Augen und ihre gesund schimmernde Haut ließen mich an vergangene Zeiten denken, in denen auch ich sauber, ausgeruht und hellwach war.
» Es ist fünf Uhr zwanzig Ortszeit, und wir landen in Kürze in Neuseelands
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