15 Tante Dimity und die Geister am Ende der Welt (Aunt Dimity Down Under)
wartete, bis Cameron und ich vom Teller des anderen probiert und Lobeshymnen angestimmt hatten – was uns leichtfiel, da sowohl die Ente als auch das Wildbret sensationell schmeckten –, bevor er wieder zum Thema Bree zurückkehrte.
» Sie wohnte in unserem Gästezimmer, solange sie hier war«, sagte er. » Um die Wahrheit zu sagen, wir machten uns Sorgen um sie. Sie schien irgendwie… düster.« Er machte eine Pause, um einen Bissen karamellisierten Lauchs zu genießen, bevor er fortfuhr. » Wenn wir sie fragten, wie die Dinge in Takapuna liefen, reagierte sie sehr verschlossen. Sie sprach weder über ihren Großvater noch über die Schule, noch über sonst was. Früher war sie doch frech wie eine Pfauentaube, aber jetzt?« Er schüttelte den Kopf. » Wissen Sie, was mit ihr los ist, Lori?«
» Ich glaube schon«, antwortete ich. » Und es ist mehr los, als eine Achtzehnjährige allein verkraften sollte. Zum einen ist ihr Großvater vor sechs Wochen gestorben…«
Angelos lebhafte braune Augen verdunkelten sich, als ich erzählte, was Cameron und ich über Brees zerbrochene Familie erfahren hatten. Als ich fertig war, verschränkte Renee die Arme, warf den Kopf zurück und stieß einen tiefen Seufzer aus.
» Ich wusste es«, sagte sie. » Ich wusste, dass es zu Hause Ärger gab. In dem Moment, als ich ihre verunstalteten Haare sah, wusste ich, dass es ihr nicht gut ging. Hab ich dir nicht gesagt, dass sie Ärger zu Hause hat, Angelo?«
» Das hast du«, bestätigte er. » Das arme Mädchen. Ihr Vater muss ein echter Mistkerl gewesen sein. Er erschien nie auf der Bildfläche, als wir sie kennenlernten. Es gab nur die Großeltern.«
» Und sie weiß noch immer nicht, dass auch ihr Vater gestorben ist?«, fragte Renee.
» Nein, es sei denn, sie ist nach Takapuna zurückgekehrt«, entgegnete ich.
» Sie hat zu Renee gesagt, dass sie nicht mehr nach Takapuna zurückgehen würde«, sagte Angelo.
» Ein weiterer Hinweis darauf, dass es zu Hause nur Ärger gab«, ergänzte Renee.
» Sie ist zehn Tage bei uns geblieben«, fuhr Angelo fort. » Dann hat sie ihren Job gekündigt und ist auf nach Wellington. Das war vor…« Er sah seine Frau an. » Drei Wochen?«
» Eher vier«, korrigierte Renee.
» Sie ist mit zwei finnischen Mädchen gereist, die sie im Hobbit getroffen hatte«, sagte Angelo.
» Kitta und Kati«, sagte Renee. » Ringer.«
» Herr-der-Ringe-Fans«, warf ich beiläufig ein.
» Fanatiker«, berichtigte Renee. » Wissen Sie, wie sie den Mount Ngauruhoe nennen? Den Berg der Finsternis! Und Ruapehu ist in ihrer Welt Mordor. Also wirklich…« Sie schnalzte mit der Zunge und richtete den Blick nach oben.
» Kitta und Kati sind echte Hardcore-Ringer«, bestätigte Angelo. » Sie sind wirklich nur nach Neuseeland gekommen, um sich die Drehorte anzusehen. Was eigentlich keine schlechte Idee ist, denn dieser verrückte Regisseur benutzt das ganze Land als seine Bühne, sowohl den Norden als auch den Süden. Und er filmt an den abgelegensten Orten, wohin man auf einer normalen Tour nie kommen würde.«
» Kitta und Kati haben mehr von Neuseeland gesehen als wir«, fügte Renee hinzu.
» Als sie genug davon hatten, auf dem Ruapehu herumzuklettern, machten sie sich auf den Weg nach Wellington, wo die Filmstudios sind«, fuhr Angelo fort. » Und Bree hat sich ihnen angeschlossen. Wir gaben ihr etwas Geld und sagten ihr, sie solle sich amüsieren. Wir hofften, es würde ihr guttun, schließlich ist es alles andere als ein Spaß, Toiletten zu schrubben; und wenn man keinen Spaß hat, solange man jung ist…«
» …muss man später für Spaß sorgen, aber dann hat der Ehemann womöglich was dagegen«, prustete Renee.
» Wir werden Bree in Wellington niemals finden«, sprach ich meine Befürchtung aus. » Es ist eine große Stadt, nicht wahr?«
» Es ist die Hauptstadt«, sagte Angelo. » Aber es ist nicht New York. Außerdem können wir Ihnen genau sagen, wo die Mädchen wohnen, weil wir ihnen den Schlüssel für unsere Wohnung gegeben haben.«
Ich sah ihn ungläubig an. » Sie haben drei Teenagern den Schlüssel zu Ihrer Wohnung überlassen?«
» Kitta und Kati sind keine Teenager mehr«, sagte Renee. » Wenn Sie mich fragen, sind sie schon ein bisschen zu alt, um Elfen hinterherzujagen, aber– jedem das seine.« Sie zuckte mit den Schultern.
» Sie sind nett«, erklärte Angelo. » Sicher, sie sind etwas schräg, was Tolkien betrifft, aber ansonsten stehen sie mit beiden Beinen auf dem Boden.
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