1501 - Nachts, wenn die Träume kommen...
Und so hatten sie sich an beiden Fenstern versammelt und glotzten in das Haus, in dem sich ihre Beute aufhielt und so wehrlos aussah.
Noch trauten sie sich nicht näher. Möglicherweise dachten sie an Mallmann und wollten erst abwarten, ob er nicht so schnell zurückkehrte.
Dracula II führte ein strenges Regiment. Wer sich seinen Befehlen entgegenstellte, wurde bestraft, einfach vernichtet. Zerrissen oder auch verbrannt.
Saladin hatte sie gesehen. Er wollte sich erst dann wieder um sie kümmern, wenn die Gefahr akut wurde. Er merkte erneut, wie der Hass gegen die Person in ihm zu kochen begann, die ihn in diese Lage gebracht hatte, und so entschied er, dass die eine Bestrafung nicht reichte. Er wollte sie fertigmachen. Er wollte, dass sie mordete, dass sie Menschen in den Tod riss, die sich in ihrer Umgebung befanden, und erst wenn das geschehen war, dann sollte sie sich selbst umbringen.
Er setzte sich bequemer hin. Das heißt, er streckte seine Beine aus und brachte seinen Rücken in eine bequemere Position. Dass außen an den Fenstern die Blutsauger ins Haus glotzten, war ihm ab jetzt egal. Er schloss die Augen, konzentrierte sich und begann damit, seine Gabe auszuspielen…
Wir waren nach unten in die Kneipe gegangen und hatten Rose Nelsons Wunsch erfüllt. Sie wollte oben in ihrer Wohnung bleiben und nichts von den Dingen mitbekommen, die wie in die Wege leiteten.
Ein Leichenwagen war inzwischen erschienen und hatte zahlreiche Gaffer angelockt. So leer die Straße in der vergangenen Nacht gewesen war, so voll war sie jetzt. Die Leute waren aus den Häusern gekommen wie die Ratten aus ihren Löchern. Jetzt standen sie da und staunten. Da die Tür zur Kneipe offen stand, versuchten sie auch, den einen oder anderen Blick in das Innere zu werfen, aber sie trauten sich nicht, die Treppe nach unten zu gehen. Sie blieben oben und sahen zu, wie man den Toten in einem geschlossenen Sarg abtransportierte.
Die Spuren, die der Mord im Bett hinterlassen hatte, würden später vernichtet werden. Erst mal atmeten wir auf, dass der Leichnam aus dem Haus geschafft worden war.
Chef der Abteilung war ein Mann namens Dean Francis. In seiner weißen Schutzkleidung sah er aus wie jemand von einem anderen Planeten. Da Suko und ich nicht stören wollten und an einem Tisch in der Ecke Platz genommen hatten, kam er auf uns zu.
»Setzen Sie sich«, bot Suko an.
»Nein, nein, ich will mich nicht länger hier aufhalten. Ich muss nach oben in das Tatzimmer.«
»Wie Sie wollen.«
Er nickte Suko zu. »Okay, ich bin ja nicht dabei gewesen, aber ich denke, dass Sie den Täter kennen.«
»Eine Täterin«, sagte Suko.
»Die Frau hier? Ist das sicher?«
»Zu fast hundert Prozent. Die restlichen Prozente sollen Ihre Männer finden.«
»Die Fingerabdrücke haben wir genommen. Wir werden sie mit den Spuren auf der Tatwaffe vergleichen müssen.«
»Tun Sie das.«
Dean Francis war noch nicht fertig mit seiner Fragerei. »Können Sie sich ein Motiv vorstellen, warum die Frau das hätte tun sollen? So zu töten ist nicht die Art von Frauen. Die bevorzugen andere Methoden, subtilere.«
»Das war hier anders«, sagte Suko, ohne auf nähere Einzelheiten einzugehen. »Ein Ausbruch von Gewalt.«
»Den Sie allerdings recht locker hinzunehmen scheinen.«
Suko lächelte. »Wissen Sie, Mr Francis, manchmal gibt es Vorgänge im Leben, da sollte man hinter die Dinge schauen. Da tun sich oft ganz andere Lösungen auf.«
»Ja, das nehme ich Ihnen ab.« Er nickte uns zu. »Ich bin dann oben.«
Als der Kollege durch die Tür verschwunden war, wandte sich Suko mir zu. »Du hast dich sehr zurückgehalten.«
Ich hob die Schultern. »Ich hatte keine Lust, hier große Sprüche abzulassen.«
»Hör auf, das glaubst du doch selbst nicht.«
Ich musste grinsen, denn Suko hatte sich nicht geirrt. »Das stimmt genau. Mir geht da so einiges durch den Kopf. Ich frage mich, ob Saladin mit dem, was er erreicht hat, tatsächlich zufrieden ist, oder ob er noch nachsetzen wird.«
»Meinst du?«
»Kann er denn zufrieden sein?«
Suko zog seine Stirn kraus und schaute den Kollegen zu, die Blutproben dort vom Boden nahmen, wo es Saladin erwischt hatte.
»Das weiß ich nicht. John. Dazu müsste man seine Pläne kennen.«
»Ja, das ist schon richtig. Wir kennen sie nicht.«
»Ich kann mir vorstellen, dass er es nicht ist. Rose Nelson hat jemanden gekillt. Eine völlig unbescholtene Frau verübt einen grausamen Mord. Das war so etwas wie eine Abrechnung. Aber
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