1501 - Nachts, wenn die Träume kommen...
dass du dich davor fürchtest.«
»Das ist klar. Aber ich denke, dass ich mir schon ein unangenehmes Gefühl gestatten kann.«
»Das bestreitet niemand.«
»Und das möchte ich eben loswerden.«
»Wird nicht einfach sein.«
»Leider.«
Unser Essen wurde serviert. Die Pizzen waren wirklich klein, aber für mich wären sie an diesem Mittag noch zu viel gewesen. Mir mundete das dünn geschnittene Kalbfleisch, wobei ich mich gedanklich ganz woanders bewegte und darüber nachdachte, wo Saladin jetzt stecken könnte. Da kam eigentlich nur die Vampirwelt infrage.
In seiner Brust mussten eine Menge Schrotkugeln stecken. Sie hatten ihn nicht getötet, dafür war die Entfernung zu weit gewesen, aber sie hatten ihn verwundet. Möglicherweise sogar schwer, und jetzt würde er sich die Wunden lecken, wobei ich mich fragte, wie es ihm dabei ging.
Mich interessierte vor allem, ob er auch weiterhin so stark wie sonst war.
Obwohl sich Glenda mit ihrer Pizza beschäftigte, sprach sie mich wieder an.
»Ich sehe doch, dass dir Saladin nicht aus dem Kopf geht. Du kannst dein Essen gar nicht richtig genießen.«
»Stimmt.«
»Warum bist du so pessimistisch? Es hat ihn doch immer schon gegeben. Zumindest in der letzten Zeit.«
»Das ist alles klar, Glenda. Aber wenn du erlebt hättest, wie sich die Wirtin benahm, als sie unter seine Kontrolle geriet, das kann man nicht vergessen. Sie hatte zu einem Amoklauf angesetzt. Es war reines Glück, dass sie sich letztendlich selbst richtete, bevor sie noch mehr Elend über die Menschen bringen konnte.«
»Fernhypnose?«
»Davon gehe ich aus, Glenda.«
»Dann ist er noch aktiv. Trotz seiner Verwundung. Man darf ihn nicht unterschätzen.«
Ich fuhr fort: »Und er wird verdammt sauer sein, dass ihm dies überhaupt widerfahren ist.«
»Das kann ich mir denken. Vielleicht dreht er durch und macht weiter.«
»John denkt, dass er uns angreifen wird«, sagte Suko.
»Kann ich mir sogar vorstellen.« Glenda hatte ihre Pizza gegessen und tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab. »Saladin kann keine Niederlagen einstecken. Er will immer der Beste sein. Einer wie er wird sich an jedem rächen, der ihm etwas angetan hat.«
»Und deshalb müssen wir etwas unternehmen«, erklärte ich.
»Was denn?«, fragte Glenda.
Jetzt musste ich mit meinem verwegenen Plan herausrücken, aber ich tat es noch nicht sofort und druckste leicht herum. Dabei wandte sich mein Blick nicht von Glenda ab, die mich aus großen Augen fixierte.
»Oh, ich habe da so ein komisches Gefühl, John.«
»Wieso?«
Sie senkte ihre Stimme. »Wenn du so lächelst, hast du einen Plan in deinem Kopf, der eigentlich nicht zum Lächeln ist, denke ich. Wie ich dich kenne, willst du mich ins Boot holen.«
»Daran habe ich tatsächlich gedacht.«
Nach dieser Antwort schwiegen wir zu dritt. Ich hatte dabei den Eindruck, als würden sich die Stimmen der anderen Gäste von uns entfernen. Die verstreichenden Sekunden schienen sich unendlich in die Länge zu ziehen.
»Wie hast du dir das vorgestellt, John?«, fragte Glenda schließlich.
»Lass mal hören…«
»Später.«
»Wieso?«
»Im Büro.«
Unsere Assistentin verdrehte die Augen. »Himmel, du machst es ja wieder spannend.«
»Klar, und dafür zahle ich auch die Rechnung.«
»Dann sei dir vergeben, John…«
***
Die Wiedergängerin wollte sein Blut, und Saladin wollte es nicht hergeben, so einfach war das.
Sie hatte sich aus den Reihen der anderen Gestalten gelöst. Die Sucht trieb sie mit langen Schritten voran und hatte sogar dafür gesorgt, dass sich ihr Gesicht verzerrte. Es war nichts mit der Konzentration. Saladin war zu stark abgelenkt, und so musste er handeln wie ein normaler Mensch.
Er griff zuerst an. Der Hypnotiseur war kein geübter Schläger, er tat das, was ihm gerade in den Sinn kam. Und so legte er beide Hände zusammen und drosch sie unter das Kinn der Frau.
Deren Kopf flog zurück. Sie riss die Arme hoch und taumelte nach hinten, doch sie wurde von ihren Artgenossen aufgefangen und wieder nach vorn geschleudert.
Der zweite Schlag erwischte sie nicht richtig. Deshalb prallte sie gegen Saladin, der sogar ihr scharfes Keuchen hörte. Das offene Maul tanzte zuckend dicht vor seinen Augen, er sah die Zähne, hätte am liebsten hineingeschlagen, aber er bekam den Arm nicht hoch genug, sodass er den Kopf einsetzen musste.
Er rammte seine Stirn in das Gesicht, spürte den eigenen Schmerz, doch er hatte sich ein wenig Luft verschafft, und das nutzte er
Weitere Kostenlose Bücher