1503 - Die Nacht der Bestien
der mordgierigen Bestie ausgeliefert.
»Nein«, flüsterte Marc Hunter vor sich hin und schüttelte den Kopf.
»Nein, so haben wir nicht gewettet, Marvin. Ich habe mir ein Versprechen gegeben, und das werde ich auch halten.«
Der ehemalige Förster hatte lange genug nachgedacht. Obwohl er wusste, dass ihm sein Sohn an Kräften weit überlegen war, machte er sich auf den Weg.
Seine Schrotflinte hielt er fest wie einen Anker. Beide Läufe waren geladen.
Einmal wollte er auf die Brust schießen, und beim zweiten Mal wollte er der Bestie das Gesicht zerfetzen. Auch wenn es ihm danach verdammt übel gehen würde.
Er ging nicht mehr so schnell. Hunter schlich jetzt an seine Beute heran, die einen der Insassen aus dem Auto gezerrt und zu Boden geschleudert hatte.
Was nun folgen würde, lag auf der Hand. Der Werwolf würde sich auf das Opfer stürzen und es…
Nein, das war ein Irrtum. Er zog es wieder hoch, presste es rücklings gegen den Wagen, um so einen besseren Halt zu haben. Die Position war nun für ihn perfekt.
Marc Hunter kam näher. Sehr nah…
Und dann sprach er seine Worte!
***
Für Marc Hunter war es, als hätte man die Zeit in seiner direkten Umgebung eingefroren. Da war nichts mehr, was ihn noch ablenkte. Er schaute über das Dach des Fahrzeugs hinweg und sah an der anderen Seite die Gestalt, die eigentlich sein Sohn war.
Aber war er das noch? Glauben konnte er es kaum, denn er sah keinen Menschen vor sich, sondern ein Tier, obwohl ihm dieser Begriff auch nicht gefiel. Marvin war ein Untier, eine Bestie, die durch sein Erscheinen von ihren Opfer abgelenkt worden war.
»Ich will es nicht glauben!«, flüsterte Marc Hunter, als er in die kalten gelben Augen schaute. »Verdammt noch mal, das ist doch der reine Wahnsinn. Du bist nicht mein Sohn und bist es trotzdem. Was soll ich davon halten? Gibt es noch etwas Menschliches in dir?« Bei den letzten Worten erstickten Tränen seine Stimme.
Er hörte nichts von Marvin, aber völlig ruhig blieb es auch nicht, weil der Junge Mann, den der Werwolf in den Klauen hielt, anfing zu jammern.
Seine Furcht war zu einer regelrechten Todesangst gewachsen. Er schaute mit dem Hinterkopf über den seitlichen Dachrand hinweg, und so konnte Marc Hunter erkennen, wie stark er zitterte.
»Geh zur Seite!«, forderte er den Werwolf auf, in der Hoffnung, dass dieser noch die menschliche Sprache verstand. Um den Befehl zu unterstreichen, bewegte er den Lauf seiner Schrotflinte zur Seite.
Marvin rührte sich nicht.
Hunter hätte schon jetzt schießen können, doch die Flinte streute zu stark, sodass die Gefahr bestand, dass auch der Unschuldige getroffen wurde, und das wollte er auf keinen Fall.
»Zur Seite!«, schrie er.
Der Werwolf stieß ein Knurren aus. Als er den Kopf bewegte, zuckten auch seine Augen hin und her, und dann tat er etwas, was Hunter überraschte. Er trat tatsächlich zur Seite.
Der Mann mit der Waffe ließ ihn nicht aus den Augen. Er wusste genau, was er zu tun hatte, aber er merkte auch, dass es zwischen Theorie und Praxis einen gewaltigen Unterschied gab. Was er sich so leicht vorgestellt und ausgemalt hatte, das in die Tat umzusetzen, war gar nicht so einfach. Er spürte die kalte Haut auf seinem Rücken, und ihm wurde bewusst, dass er sich noch nie zuvor in einer derartigen Lage befunden hatte.
Er hoffte, dass er noch Zeit zum Nachdenken bekam. Aber das war nicht der Fall, und so musste er seinen Weg gehen.
Der Werwolf folgte ihm. Er blieb immer vor ihm. Er starrte ihn an, aber es waren nicht mehr die Augen seines Sohnes, die ihm da ins Gesicht starrten.
Das waren Raubtierglotzer, in denen es kein menschliches Gefühl zu sehen gab. Nur bestialische Gnadenlosigkeit.
Nur mit großer Mühe unterdrückte Marc Hunter seine Tränen. Er wollte sich nicht ablenken lassen. Er zitterte, aber er schaffte es, die Waffe einigermaßen gerade zu halten.
»Kannst du reden?«
Der Werwolf hatte ihn gehört, und er gab auch eine Antwort, denn er öffnete sein Maul noch weiter. In seinem Rachen entstand ein hässliches Geräusch, das Hunter anwiderte.
Er sah auch, wie sich das Fell der Bestie sträubte. War das ein Zeichen zum Angriff? Wollte der Sohn zuerst seinen Vater töten?
Plötzlich war alles anders bei Hunter. Das Verhalten der Bestie hatte bei ihm im Kopf einen Schalter umgelegt.
Nur noch ein Gedanke durchzuckte ihn.
In die Brust und in den Kopf! Und dann schoss er. Die Welt um ihn herum schien zu explodieren, so laut klang der Schuss in der
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